Haushaltsrede zum Haushalt 2013

Gehalten von Thomas Puchelt am 19.12.2012

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren des Rates,
sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt,

der Haushalt 2013 ist einer, mit dem wir GRÜNE unter den gegebenen Umständen leben können. Trotz finanziell schwieriger Zeiten ist es gelungen, gute politische Entscheidungen fortzuschreiben, um Siegen, wenn auch in kleinen Schritten, in eine akzeptable Richtung zu steuern. Und so wundert es Sie sicher nicht, dass wir mit der Haushaltseinbringung des Bürgermeisters in vielen Punkten einverstanden sind. Dieser hat einige positive Entwicklungen der letzten Jahre genannt:

  • den U3 - Ausbau
  • das kostenlose Mittagessen an Schulen und nicht zuletzt
  • den Abriss der Siegplatte.

Dennoch möchte man dem Bürgermeister zurufen, dass diese Projekte ja nun eigentlich nicht aufgrund seiner politischen Initiativen angestoßen wurden. Es waren grüne oder auch rotgrüne Initiativen. Man ist geneigt, dem Bürgermeister am Schlips zu ziehen (die meisten von Ihnen kennen besagte Kräuterbonbon-Werbung aus der Schweiz) und ihn zu fragen: Herr Bürgermeister - wer hat´s erfunden?!
Sei´s drum: seit unserer Gründung wissen wir, dass der eine oder andere aus anderen Fraktionen unsere Federn schön findet und wir verkraften es auch diesmal, wenn sich einmal mehr Andere damit schmücken. Bevor es einen Aufschrei bei der SPD gibt: es waren auch grün/rote Federn dabei.

Meine Damen und Herren,
eine kritische Auseinandersetzung mit den in den letzten Jahrzehnten vorherrschenden Vorstellungen von Wohlstand, Lebensqualität, gesellschaftlichem Fortschritt und Wachstum hat längst begonnen.

Die Veränderungen auf dem Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsmarkt, der Klimawandel und eben auch die unumstrittene Tatsache, dass sich der demographische Wandel vollzieht, betrifft auch die Zukunft unserer Stadt in nicht unerheblichem Maße. Es stellt sich die Frage, in welcher Form und mit welchen Entscheidungen wir diesen Herausforderungen begegnen wollen. Entscheiden wir, wenn wir das Wort Wachstum überhaupt benutzen wollen, in diesem Zusammenhang eher über Quantität oder über Qualität?

Nach Meinung unserer Fraktion kann eine sensible, anspruchsvolle und nachhaltige Planung für eine unausweichlich schrumpfende Stadt den Begriff Wachstum nicht mehr in den Mittelpunkt stellen. In der Gegenwart und in der Zukunft kann es nur um Erhalt und Ausbau von Qualitäten und die Sicherung und Verbesserung der Funktionsfähigkeit unserer Stadt gehen. Hier sind deutliche Fehlentwicklungen, wie aktuell z.B. die Vorgehensweise zum Siegener Bahnhof oder eben die Nutzungsfrage zur alten Jugendherberge, zu vermeiden und städtebauliche Defizite behutsam zurückzuführen – auch eine besondere Herausforderung für unsere Verwaltung.

In diesem Zusammenhang zu erwähnende und als gleichwertig zu betrachtende Handlungsfelder einer entsprechenden Planung und Entwicklung in Siegen sind die

  • Stadtentwicklungsplanung
  • die Quartiersentwicklung
  • das Wohnen
  • der ländliche Raum
  • Grün- und Naturräume
  • Mobilität
  • die Energieversorgung
  • Integration und Bildung

An dieser Stelle wird deutlich, dass sich der demografische Wandel in allen Bereichen des täglichen Lebens widerspiegelt. Benennt man beispielsweise den Bereich der Energiepolitik, so ist spätestens seit dem schrecklichen Unfall in Fukushima die Erkenntnis, dass wir unsere Energieversorgung auf erneuerbare Energien umstellen müssen, zum Allgemeingut geworden. Die notwendige Energiewende wird auch für die Stadt Siegen Auswirkungen haben. So ist der bisher erfolgte vorsichtige Einstieg in die Stromerzeugung durch Photovoltaik an manchen Stellen im Stadtbild erkennbar.

Auch gibt es einen breiten politischen Konsens, dass die Zahl der Windkraftanlagen im Stadtgebiet erhöht werden muss. Zur Konkretisierung dieses Anliegens haben wir im Rahmen unserer Haushalts-Gespräche mit der CDU-Fraktion eine Vereinbarung getroffen. Beide Fraktionen verpflichten sich, die planerischen Voraus-setzungen dafür zu schaffen, dass in Siegen mindestens 10 neue Windkraftanlagen errichtet werden können. Dieses Ziel ist aus unserer Sicht ein vertretbarer Kompromiss, der sowohl die nicht unbedingt optimalen Windverhältnisse im Stadtgebiet als auch notwendige Einschränkungen durch Belange des Artenschutzes, des Landschaftsschutzes und des Schutzes der Menschen vor Lärm und Schlagschatten berücksichtigt.

Aber Energiewende bedeutet mehr als nur den Ausbau von Kapazitäten für regenerativ erzeugten Strom zu forcieren. Wir beachten in diesem Zusammenhang durchaus die Aktivitäten der Stadt. So sind derzeit beispiels-weise 10 Blockheizkraftwerke in städtischen Liegenschaften in Planung oder im Bau. Ein Leuchtturmprojekt ist die Sanierung der Beleuchtung im Parkhaus Hinterstraße, wo durch geschickte Kombination von LED-Leuchten und Bewegungsmeldern der Stromverbrauch um 70% gesenkt werden konnte.

Trotzdem liegt noch viel Arbeit vor uns, was sich im Haushalt 2013 leider nur völlig unzureichend niederschlägt. So müssen in unseren Schulen noch viele Beleuchtungsanlagen umfassend saniert werden.

Bedauerlicherweise sind für einen Beschluss, Neubauten, wie z.B. in Frankfurt, nur noch im Passivhausstandard zu errichten, weit und breit keine Mehrheiten erkennbar. Auch eine konsequente Förderung des Fahrradverkehrs als umweltfreundlichstes Verkehrsmittel findet im Wesentlichen nur in den Sonntagsreden der Politiker statt.

Meine Damen und Herren,
in den letzten Jahren hat Siegen stadtentwicklungspolitisch zugelegt. Große Projekte, wie

  • der Umbau der Siegerlandhalle
  • der Neubau der Feuerwache in Weidenau
  • das Apollotheater
  • Siegen zu neuen Ufern“

wurden mit viel Engagement aller Beteiligten in die Wege geleitet bzw. umgesetzt. Bei diesen Projekten ging es nicht nur um ein reines Investment. Es ging, wie aus vielen Diskussionen und Auseinandersetzungen herauszuhören war, auch um die Aufwertung eines Stadtbildes, welches über Jahrzehnte vernachlässigt wurde.

Allerdings dürfen wir bei der Aufwertung des Stadtbildes nicht den Blick auf die sich verändernde Wohnlandschaft verlieren. Neue Wohnformen: das Thema ist beileibe nicht neu. Im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen zum demographischen Wandel wurde und wird überall in Bund und Land nach Lösungen und Ansätzen zur Anpassung von Beständen und Neubauten für eine sich verändernde Bedarfsstruktur der Bewohner gesucht; und das nicht nur für Senioren oder unter den Themen Barrierefreiheit und Inklusion.

Entwicklungspolitisch läuft diese Stadt, wie so oft, den Themen - wie z.B. dem Ausbau des sozialen Wohnungsbaus und der Stärkung der Quartiersentwicklung – hinterher. Versuche, die diesbezüglich unternommen wurden, sind nicht zuletzt daran gescheitert, dass Siegens Politiker, die hiesigen Wohnungsbaugesellschaften und -Genossenschaften und andere Beteiligte mehrheitlich bis zum heutigen Tage nicht von der Notwendigkeit zum Umdenken überzeugt sind. Städtebau und Stadtentwicklungsplanung ist Sache aller, die an einer nachhaltig positiven (nicht notwendigerweise wachstumsorientierten) Entwicklung unserer ganzen Stadt interessiert sind.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang ein höchst aktuelles Thema beleuchten. Die Situation unserer Studierenden, meine Damen und Herren.

Wenn wir nicht wollen, dass Siegen weiterhin nur ein Zwischenstopp für junge und jung gebliebene Menschen ist, wenn wir nicht wollen, dass gut ausgebildete Menschen nach Möglichkeiten in anderen Städten Ausschau halten und dass die Benennung zur Universitätsstadt nur mehr ein Lippenbekenntnis ist, dann müssen wir auch dafür Sorge tragen, dass die Bedingungen vor Ort einem Lehr-, Forschungs- und Wohnstandort gerecht werden. Dass dem nicht so ist, zeigten nicht zuletzt die Proteste der Studierenden, letztens sogar hier im Rat.

Anstatt sich ernsthaft mit dem Anliegen der Studierenden auseinanderzusetzen – was wir zugegebener Maßen alle schon zu einem früheren Zeitpunkt hätten tun sollen - wurde vorschnell zum Angriff geblasen. Verlockend war die Versuchung, den vermeintlichen Retter in der Not spielen zu können und sich an die Spitze des Protestes junger Bürgerinnen und Bürger zu stellen.
45 Betten in der alten Jugendherberge; umgebaut zu einem Studentenwohnheim – Dies, so wollten uns einige Fraktionen Glauben machen, wäre die Lösung!

45 Betten auf knapp 3.000 neue Studierende?! - So schlecht rechnet noch nicht einmal das oft zitierte Milchmädchen!
Klar kann man sagen, dass 45 Plätze mehr sind als nichts. Aber sie sind nur dann „mehr wert als nichts“, wenn sie der Teil eines größeren Konzeptes sind, welches dem tatsächlichen Andrang und den Bedürfnissen auch nachhaltig gerecht wird.

Der grüne Antrag zur letzten Ratssitzung, das Thema Wohnungsnot systematisch anzugehen, ist deshalb richtig und wichtig. Wir freuen uns, dass der Rat dem gefolgt ist. Wir Grünen sind davon überzeugt, dass nur in einem gemeinsamen Gremium, mit den Vertretern der Studierendenschaft, mit der Universitätsverwaltung, mit dem Studentenwerk, mit den Wohnungsbaugesellschaften und mit der Politik die Situation tatsächlich verbessert werden kann. Wie man dem nicht zustimmen kann, meine Damen und Herren von SPD und Linken, ist absolut unverständlich.

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich komme zur abschließenden Wertung des Haushaltes 2013 und zu unseren Veränderungsanträgen: Dabei haben wir zum Thema Windkraft ja schon Ausführungen gemacht, die ich an dieser Stelle nicht wiederhole.

Zunächst das Wichtigste: wir stimmen dem Haushalt 2013 zu, obwohl dieser Haushalt weit davon entfernt ist, ein grüner Haushalt zu sein. Dennoch haben wir in fairen, offenen und konstruktiven Gesprächen mit CDU und FDP einige Änderungen eingebracht, für die wir uns zum Teil schon lange eingesetzt haben.

Wir bewegen dabei nicht das große Geld, was sich schon aus Gründen der angespannten Finanzsituation verbietet. Aber, meine Damen und Herren, wir setzen Impulse, und genau das ist es, was man im Rahmen einer gemeinsamen Haushaltsverabschiedung, der keine prinzipielle politische Zusammenarbeit zugrunde liegt, erreichen kann.

So ist es uns gelungen, endlich eine Fachstelle für europäische Fördermittel einzubringen, deren Hauptaufgabe es sein wird, das undurchsichtige Dickicht europäischer Fördermöglichkeiten zu entwirren und im Sinne unserer Stadt zu nutzen. Wir sind überzeugt: nach einer Anlaufphase wird sich diese Stelle rechnen und sie wird für viele gute Ideen in dieser Stadt finanzielle Mittel erschließen können.

Wichtig ist uns, die Fachstelle Integrationsplan/Städtebündnis gegen Rassismus, welche vor drei Jahren mit anderen politischen Mehrheiten beschlossen wurde, zu entfristen. Die Stelle wäre sonst im Sommer 2013 ausgelaufen. Wir sind der Überzeugung, dass wir mit der dauerhaften Einrichtung dieser Stelle ein wichtiges Zeichen gegen Rassismus, Ausgrenzung und Diskriminierung setzen.

Im Bereich der Stadtentwicklung sind wir in zwei Bereichen einen Schritt weitergekommen:
Nachdem die Siegplatte nun weg ist und das Siegufer inklusive Umfeld neu gestaltet wird, sind wir uns mit CDU und FDP darüber einig, es hierbei nicht zu belassen. Wir wollen den Fluss über weite Strecken wieder für die Menschen erreichbar machen. Einen Grundsatzbeschluss dazu hat dieser Rat im vergangenen Jahr schon gefasst.

Auch wenn das Ganze noch Zukunftsmusik ist, diese Zukunft beginnt 2013. Wir schaffen mit unserer Entscheidung heute den konkreten Einstieg in die Planung für den Teilbereich Apollo bis Effertsufer. Und wir haben die begründete Hoffnung, dass es diesmal nicht wieder über 20 Jahre von der Idee bis zur Realisierung dauert, wie es ja beim Abriss der Siegplatte der Fall gewesen ist.

Auch die Ideen einer begehbaren und besitzbaren Stadt Siegen wollen wir in 2013 umsetzen. Diese Maßnahmen, hinterlegt mit 30.000 Euro, werden unsere Stadt verändern. Die Grundidee, Alltagswege in unserer Stadt so zu gestalten, dass sie zum Spielen einladen oder Sitz- bzw. Ruhegelegenheiten an öffentlichen Wegen bieten, hat uns, und auch die städtische Delegation, die sich die Umsetzung dieser Ideen in der Stadt Griesheim angesehen hat, sehr überzeugt.

Im Bereich der Umweltpolitik können wir auf unsere Initiative hin ebenfalls kleine, aber wichtige Maßnahmen anstoßen bzw. weiterführen. Auf dem Weg des aktiven Tierschutzes werden wir mit mindestens einem weiteren Taubenhaus den eingeschlagenen Weg weitergehen.

Neu hingegen ist unser Vorhaben, ein kommunales Artenkataster, zusammen mit Umweltexperten, zu entwickeln. Dieses Kataster schafft eine Grundlage; auch für die weiteren stadtentwicklungspolitischen Planungen. Für beide Projekte sind jeweils 10.000 Euro vorgesehen.

Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie sehen, wir präsentieren Ihnen heute ein kleines, aber feines Änderungspaket, mit dem wir die Zukunft unserer Stadt an wichtigen Stellen beeinflussen.
Wir tragen, das haben wir mit CDU und FDP vereinbart, die Entscheidungen der Fachausschüsse zum Haushalt mit. Allerdings würden wir uns mehr Mut wünschen, die fachlich erforderlichen Dinge auch einmal klar zu formulieren und nicht bereits auf der Fachausschussebene den Finanzen alles unterzuordnen.

Wir haben, dessen sind wir uns bewusst, bezüglich der Finanzen eine hohe Verpflichtung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, im kritischen Dialog herauszufiltern, was fachlich sinnvoll und erforderlich ist und was nicht.

In diesem Zusammenhang mahnen wir auch die in vielen Bereichen immer noch nicht erfolgte Zielbestimmung im Haushalt an. In manchen Fachausschüssen gilt es als geradezu verpönt, wenn man das tun will, was unsere Aufgabe, ja unsere Pflicht ist: transparente und messbare Ziele zu definieren, an deren Umsetzung sich Politik und Verwaltung dann auch messen lassen müssen.

Meine Damen und Herren,
wir sind sicher die Fraktion, welche die Arbeit der Verwaltung manches Mal kritisch betrachtet und hinterfragt. Seien Sie versichert, wir tun dies ausschließlich aus sachlichen Beweggründen. Nichtsdestotrotz sind wir der Überzeugung, dass wir im Großen und Ganzen eine sehr engagierte und kompetente Verwaltung in unserer Stadt haben. Wir bitten Sie, Herr Bürgermeister, unseren Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung und den Personalrat weiterzuleiten.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Für die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN
im Rat der Stadt Siegen
Thomas Puchelt



Anträge von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP zum Haushalt 2013


Darüber hinaus machen CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nachfolgende, von den Fraktionsvorsitzenden unterzeichnete Vereinbarung öffentlich:

CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind sich einig in dem Ziel, auf Siegener Stadtgebiet mindestens 10 Windkraftanlagen - ausgehend vom heutigen Status quo - zu realisieren. Die planungsrechtlichen Überprüfungen und die prinzipielle Genehmigungsfähigkeit werden durch die Verwaltung bis zum 30.06.2013 auf der Grundlage der beschlossenen Flächen durchgeführt.

Sollte in dieser Konkretisierung eine Verwirklichung von mindestens 10 zusätzlichen Windkraftanlagen nicht möglich sein, verabreden CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen Neueinstieg in die Untersuchung weiterer Flächen, bis das Ziel von mindestens 10 zusätzlichen Windkraftanlagen erreicht ist.



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