Haushaltsrede zum Haushalt 2022

Haushaltsrede

zum Haushalt 2022 

 

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Bürger:innen,

heute kommen wir im Rat der Stadt Siegen zusammen, um den Haushalt für das Jahr 2022 zu beraten. Wir alle wissen, dass es nicht einfach ist einen soliden Haushaltsplan für dieses Jahr aufzustellen. Der Haushalt der Stadt Siegen ist aber kein abstraktes Zahlenwerk, sondern ein ganz zentrales politisches Instrument. Er entscheidet darüber, welche Schwerpunkte in den nächsten Jahren in Siegen gesetzt werden. Er entscheidet darüber, wo es voran geht und was - auf der anderen Seite - zunächst hintenangestellt werden muss.

Wir haben uns zusammen mit den Fraktionen von UWG, FDP, LINKE, VOLT und Gemeinsam für Siegen dazu entschieden Anträge zum Haushalt einzubringen. Unsere Zustimmung zu diesem Haushalt wird davon abhängen, ob wir uns gemeinsam auf diese Anträge einigen können, da im Haushalt so bisher die falschen Schwerpunkte gesetzt werden. Erstes Beispiel: Wir fordern eine zusätzliche Stelle im Bereich Wohngeld, da es nicht sein kann, dass Menschen monatelang auf ihren Wohngeldbescheid warten, und nehmen dafür in Kauf auf eine Stelle in der Öffentlichkeitsarbeit zu verzichten. Zweites Beispiel: Klimaschutz und Radverkehr muss aus unserer Sicht stärker priorisiert werden. Dafür können wir den Kreisverkehr Schleifmühlchen zunächst zurückstellen, bis Pläne vorliegen, die eine deutliche verkehrliche Verbesserung nachweisen.

Zunächst möchten wir etwas zu einem der Kernprobleme im politischen Alltag in unserer Stadt sagen, nämlich das schwierige und oft wenig nachvollziehbare Verhalten der Verwaltung zur Politik. Es werden zu oft politische Anträge zerredet und mit dem Etikett „unmöglich“ versehen. Es wird immer wieder versucht, die Kompetenz der Politik in Frage zu stellen und die Verwaltungspositionierung als absolut und alternativlos zu setzen.

Ein Beispiel: Unsere Fraktion beantragt 3 zusätzliche Stellen für den Klimaschutz im Bereich der Gebäudewirtschaft, gedeckt von dem Beschluss, dass Siegen bis 2040 einen klimaneutralen Gebäudebestand vorhalten will.

Was dann passiert? Die Verwaltung redet mit Vehemenz dagegen, dass der Arbeitsmarkt keine neuen Mitarbeiter:innen hergebe und das auch zusätzliches Geld deshalb keinen Sinn ergebe. Man will vor allem unter keinen Umständen einem GRÜNEN Klimaantrag zustimmen. CDU und SPD flankieren das Ganze dann mit einem politischen Antrag, den sie gemeinsam beschließen, man benötige erst einen Fahrplan zur Klimaneutralität und dann könne man ja mal weitersehen.

Und nun, ein Jahr später, gibt es den Fahrplan immer noch nicht! Und die Stellen? Sie tauchen auf einmal als Vorschlag der Verwaltung im aktuellen Stellenplan auf.

Nun ist es uns GRÜNEN im Grunde genommen egal, ob das Ganze nun aufgrund unseres Antrages angeschoben wird oder durch die Verwaltung. Aber das ewige Spiel um Eitelkeiten und die Frage „wer hat´s erfunden?“  hat einen klaren Verlierer: Dieses abwegige Prozedere hat zu einem weiteren Jahr absoluten Stillstandes in Sachen klimaneutralem Gebäudebestand geführt! Und auch das Klima für eine gute Zusammenarbeit wird so nicht gerettet.

Während Verwaltung und GroKo mit Hinweis auf knappe Kassen gerne einmal wichtige Investitionen in die Zukunft verschieben oder unter den Tisch fallen lassen, sind sie bei der Erfüllung eigener Wünsche durchaus risikofreudiger. Beispiel Museumsbunker: Statt vor allem die Folgekosten seriös in den Haushaltsberatungen zu erörtern, wird auf Biegen und Brechen so lange abgestimmt, bis das Ergebnis stimmt, und das auch noch in einer Sondersitzung des Rates bei überhandnehmenden Corona-Inzidenzen.

Hierbei wurde durch das erzwungene knappe Abstimmungsergebnis die Förderung und damit das ganze Projekt Museumsbunker gefährdet. Doch wenn die Förderung kommt, werden zukünftige Haushalte durch Folgekosten belastet, deren Finanzierung der Kämmerer selbst nur durch weitere Steuererhöhungen gesichert sieht. (Quelle: Stellungnahme des Kämmerers zum Haushalt 2022, S. 16)

Ein weiterer ärgerlicher Punkt ist, dass Vertreter: innen der GroKo die Arbeitskreise als abschließende Entscheidungsinstanz betrachten, sobald es ihren Interessen nutzt. Das Gegenteil ist aber der Fall: Die Arbeitskreise erarbeiten nicht-öffentlich Empfehlungen für die politischen Gremien der Stadt, die im Anschluss dann öffentlich diskutiert werden können. Die GroKo entscheidet selbst regelmäßig gegen Empfehlungen von Arbeitskreisen, in denen sie ja vertreten ist, wie jüngst beim Arbeitskreis Abfallwirtschaft.

Selbstverständlich steht es deshalb jeder Fraktion frei, diese Empfehlungen zu beanstanden, abzulehnen, Änderungsvorschläge zu machen und darüber hinaus eigene politische Initiativen zu starten. So beeinträchtigt zum Beispiel ein GRÜNER Antrag zu barrierefreien Spielgeräten auf dem Spielplatz am oberen Schloss, der auf aktuelle Berichterstattung in der Presse zurückgeht, die Arbeit der Spielplatzkommission in keiner Weise, und ist schon gar nicht eine „Respektlosigkeit“, wie sich der Pressesprecher der CDU-Fraktion in einem Leserbrief verstiegen hat.

Zum Thema Umgang mit Beschlüssen kann man auch zwei Teilziele des 2018 durch den Rat verabschiedeten Zielkonzeptes Klimaschutz erwähnen.

Unter anderem ist bis 2019 der Aufbau einer Sanierungsdatenbank mit Prioritätenliste für den städtischen Gebäudebestand beschlossen worden. Hier hat sich bis heute (2022) nichts getan. Im Widerspruch dazu hat der Bürgermeister in der letztjährigen Haushaltsdebatte sogar die Notwendigkeit des erforderlichen Personals in der Hochbauverwaltung abgestritten.

Des Weiteren gibt das Zielkonzept vor, mindestens eine umfangreiche Sanierung eines größeren Gebäudes pro Jahr durchzuführen. Bis heute müssten damit also mindestens 3 größere Sanierungen geplant und umgesetzt sein. Hier sehen wir derzeit kaum einen Ansatz.

Aber, meine Damen und Herren, wir wollen nicht nur kritisieren, es gibt auch Positives:

Zum Beispiel, dass die nicht mehr ganz so große Kooperation von CDU und SPD keine eigene Mehrheit hat. Gut so! Es öffnet Möglichkeiten, in Zukunft wieder gemeinsam demokratisch den richtigen Weg für unsere Stadt zu finden. Es öffnet auch die Tür, um eigenständige Ideen zu entwickeln und mit Argumenten nach Mehrheiten zu suchen. Die Zeiten eines einfachen Durchstimmens sind jedenfalls vorbei.

Und deshalb möchten wir auch die Zusammenarbeit der bisherigen Oppositionsparteien positiv erwähnen: Denn bei aller Unterschiedlichkeit macht es wirklich Freude mit UWG, Gemeinsam für Siegen, der FDP, Linken und Volt zu überlegen, was gut ist für diese Stadt. Dass wir in einigen Fragen gar nicht so weit auseinander liegen und bei vielen Themen eine hohe Bereitschaft zum Kompromiss zeigen, ist nahe an dem, wie Politik eigentlich funktionieren soll: Ideen entwickeln, miteinander auf Augenhöhe diskutieren und dann zu getroffenen Entscheidungen stehen. Auch hier: Gut so!

Und auch inhaltlich war nicht alles schlecht in den letzten 12 Monaten. Immerhin wird es jetzt, vermutlich ab kommenden April, eine Livestream-Übertragung unserer Ratssitzungen geben. Das freut uns, weil auch hier der Gegenwind anfangs enorm war.

Dass mit dem Projekt Herrengarten jetzt auch ein Herzenswunsch unserer Fraktion Realität wird freut uns ebenfalls sehr, auch wenn die Grundsteine für dieses Projekt noch aus der vergangenen Wahlperiode stammen und die Umsetzung doch Beton-lastiger geworden ist, als das GRÜNE Herz es sich wünscht.

Unübersehbar ist, dass es Fortschritte gibt im Bemühen, das Radwegenetz auch in Siegen auszubauen. Die über viele Jahrzehnte vorgebrachte Entschuldigung, das Profil Siegens verhindere einen attraktiven Radverkehr, wurde durch den technischen Fortschritt ad absurdum geführt. Es wird mehr investiert als früher, aber leider immer noch zu wenig.

Bei den lange beschlossenen Nord-Süd- und Ost-West-Achsen hapert es noch an Lückenschlüssen. Hier ist Kreativität und Mut gefragt: Warum nicht den Radverkehr an solchen Stellen dem Autoverkehr gleichstellen? Warum keine Pop-Up-Radwege einrichten? Denn eine Binsenweisheit der Verkehrspolitik gilt auch für das Rad: Wer Radwege und Radabstellanlagen säht, wird Radverkehr ernten.

Nicht nur beim Radverkehr tut sich etwas: Aktuell befindet sich auch die Schullandschaft in unserer Stadt in Bewegung. Wir möchten diese zukunftsfähig aufstellen und dabei insbesondere dem Willen der Siegener Eltern Rechnung tragen. Über 70 Abweisungen im aktuellen Anmeldeverfahren an unseren Gesamtschulen und steigende Schüler:innenzahlen in den kommenden Jahren zeigen, dass zu wenig Plätze an integriert arbeitenden Schulen vorhanden sind.

Siegen benötigt eine vierte Gesamtschule. Wir setzen uns dafür ein, diese zeitnah einzurichten; Zentrum soll dabei der Schulstandort Rosterberg sein. Um einer neuen Gesamtschule möglichst viel Rückenwind zu geben, wünschen wir uns eine breite politische Mehrheit für das Vorhaben. Ebenso sollte die umfassende Expertise der Universität Siegen für die Begleitung des Schulaufbaus genutzt und eine enge Zusammenarbeit angestrebt werden.

In den vergangenen Jahren haben wir politisch einige wichtige Bau- und Erweiterungsprojekte an unseren Grundschulen auf den Weg gebracht. Die Maßnahmen an Jung-Stilling-Schule, Diesterwegschule oder Spandauer Schule stärken die jeweiligen Standorte und tragen den Erfordernissen des offenen Ganztagsbetriebs Rechnung. Leider ist die Umsetzung insbesondere an Diesterweg- und Spandauer Schule mächtig ins Stocken geraten, massive Verzögerungen sind absehbar.

Das ist aus unserer Sicht nicht akzeptabel und geht klar zu Lasten der betroffenen Schüler:innen. Nicht zuletzt aus diesem Grunde ist die Einrichtung von drei weiteren Stellen im Bereich der Zentralen Gebäudewirtschaft zwingend notwendig, um die Planung und Umsetzung der Bauvorhaben an den Schulen zu beschleunigen.

800 Jahre Stadt Siegen. Dieses Jubiläum wird unsere Stadt in 2024 feiern. In einem Jahr, in dem, wie die Verwaltung betont, eine Menge Großprojekte vor der Umsetzung stehen. Wir alle lesen in den einschlägigen Medien fast täglich darüber. Aber was ist mit bereits gefassten Beschlüssen, die sich unserer Meinung nach viel zu lange hinziehen und deren Umsetzung doch so dringend nötig ist?

Beispielsweise die Ratsbeschlüsse zur Umsetzung des sozialen Wohnungsbaus. 25 % geförderter Wohnungsbau in neuen Baugebieten waren vor Jahren gefordert. Schleppend, sehr schleppend werden vereinzelte Projekte umgesetzt. Die Argumente hiesiger Investoren haben sich über die Jahre kaum verändert. Gleichzeitig fallen so viele Wohneinheiten pro Jahr aus der Belegungsbindung, dass eine große gemeinsame Kraftanstrengung notwendig ist, um dies zu kompensieren – von neuen Sozialwohnungen, also einer steigenden Anzahl, wagen wir in näherer Zukunft nicht einmal zu träumen.

Wir müssen die Rahmenbedingungen schaffen, dass vor allem bei Veräußerungen größerer Flächen auch die Umsetzung eines beschlossenen Anteils an sozialem Wohnungsbau verpflichtend einzuhalten ist. In diesem Zusammenhang müssen wir auch über bisher ungewohnte Modelle nachdenken; Grundstücke in städtischer Hand behalten, über Erbpachtmodelle nachdenken, die begrenzte Ressource Boden nachhaltiger bewirtschaften oder auch eigeninitiativ werden. Seit Jahren fordern wir in diesem Zusammenhang eine Erweiterung der Fähigkeiten stadteigener Unternehmen. Ja, das sind keine Leuchtturmprojekte für eine 800 Jahr-Feier. Aber es sind Projekte für Bürger:innen dieser Stadt.

Denn im Baubereich haben wir in den letzten Jahren einige wegweisende und stadtbildprägende Projekte begonnen. Klar war in diesem Zusammenhang, dass die vorhandenen personellen Kapazitäten der Verwaltung für die gleichzeitige Bearbeitung notwendiger und beschlossener städtischer Maßnahmen ohne Fördermittelgeber nicht ausreichen würden und dass eine Aufstockung der Personaldecke weiterhin notwendig ist.

Besonders dramatisch entwickelt sich die Bädersituation in Siegen. Das eine ist verkauft (Löhrtor) und wird auch aufgrund des schlechten Allgemeinzustandes vermutlich nur noch eine kurze Zeit nutzbar sein. Das andere Hallenbad (Weidenau) sollte mit großem Aufwand saniert und erweitert werden. Der Plan: bevor das Löhrtorbad schließen muss, sollte das Weidenauer Bad fertig sein.

Von diesem Ziel sind wir meilenweit entfernt! Noch nicht einmal ein Baubeginn in Weidenau ist realistisch zu terminieren. So laufen wir sehenden Auges in eine Situation wo das Löhrtorbad geschlossen sein wird und das Weidenauer Bad bestenfalls eine Baustelle ist. Für alle Schwimmfreunde, die vielen, vielen Schulklassen und die Schwimmvereine wird dies eine hausgemachte Katastrophe. Hier erwarten wir dringend und verlässliche Aussagen dazu, wie dieses Szenario zu vermeiden ist.

Und trotz allem bleiben wir zuversichtlich. Weil im Rat, in den Ausschüssen und in der Verwaltung viele Menschen tätig sind, die diese Stadt lebenswerter, attraktiver und meistens auch GRÜNER gestalten wollen. Aber häufig sind wir uns in Siegen nicht einig darüber, wie dieser Weg zu gehen sei. Deshalb wollen wir eine Politik der Information, Kommunikation und Diskussion. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit der neuen demokratischen Opposition und die neuen Möglichkeiten, die sich uns in diesem Jahr ergeben. Denn wir wollen etwas bewegen, und gemeinsam das vielleicht auf den ersten Blick Unmögliche möglich machen. Ein GRÜNERES Siegen für alle!



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