Haushaltsrede zum Haushalt 2016

Gehalten von Lisa Bleckmann
am 15.12.2017

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren des Rates,
sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt,

der Haushalt 2016 ist kein einfaches Gebilde. Er muss von uns in einer finanziell schwierigen Zeit verabschiedet werden. Und wie das so ist in schwierigen Zeiten, haben diejenigen, die sich zu einer Gestaltungsgemeinschaft zusammengefunden haben, eine große Verantwortung. Die Jamaika- Koalition ist dieser Verantwortung gerecht geworden, auch wenn das Gestalten in Zeiten knapper Kassen wirklich nicht einfach ist.
Dass in diesem Jahr auch die SPD-Fraktion - trotz durchaus unterschiedlicher Positionen in Einzelfragen - gemeinsame Wege mit uns entwickelt hat und auch umsetzen will, begrüßen wir an dieser Stelle ausdrücklich.
Für ein verantwortungsvolles Handeln in unserer Kommune ist es wichtig, bei allen Unterschieden auch in einen Wettbewerb der Gestaltung unseres Gemeinwesens einzutreten und das antiquierte Rollenspiel, immer dagegen zu sein, was der jeweils andere eingebracht hat, zu überwinden. Ich sehe uns da als Rat, zumindest punktuell, auf einem guten Weg.

Aber nun zum Haushalt 2016: Wir schlagen Ihnen in diesem Jahr gemeinsam mit 3 anderen Fraktionen eine Erhöhung von Grund- und Gewerbesteuer vor, mit dem Ziel, den originären Haushalts-Ausgleich und damit die finanzielle Handlungsfähigkeit der Stadt möglichst schnell wieder zu erreichen. Das ist uns nicht leicht gefallen, wir gehen schließlich deutlich über die Vorschläge der Verwaltung hinaus.
Auch wenn aus unserer Sicht die Erhöhung der Grundsteuer geringer und die Erhöhung der Gewerbesteuer höher hätte ausfallen können, halten wir unsere Vorschläge auch im Zusammenhang mit der Entwicklung der kommunalen Gebühren für vertretbar: Die Abwassergebühren werden in 2016 sogar sinken, die anderen städtischen Gebühren und auch die Gas- und Wasserpreise unserer Stadtwerke bleiben konstant.

Zusätzlich haben wir mit unseren Koalitionspartnern vereinbart, in den nächsten Jahren die von der Verwaltung gewünschte Erhöhung der KAG-Beiträge abzulehnen. Dadurch halten wir die Belastung der Anlieger beim Ausbau vorhandener Straßen, die von der Wirkung her sehr willkürlich erscheint, in Grenzen.
Zur Entlastung des städtischen Haushalts trägt auch bei, dass die Grüne Kreistagsfraktion zusammen mit anderen, die von der Kreisverwaltung gewünschte Anhebung der Kreisumlage nicht mitgetragen und den Kommunen insgesamt eine Belastung von 1 Mio. € erspart hat.

Aufgrund der desolaten Finanzsituation stehen auch Siegens Hallenbäder auf dem Prüfstand. Dabei gilt es Lösungen zu finden, die den Haushalt mittelfristig entlasten, möglichst ohne die Schwimmmöglichkeiten drastisch einzuschränken. Deshalb wollen wir zunächst ein Gutachten, das uns die Handlungsmöglichkeiten und die Kosten verschiedener Varianten aufzeigt. Wenngleich wir auch bei den Bädern Geld einsparen müssen, einen Automatismus zur Schließung des Löhrtor-Bades, wie es der ein oder andere interpretiert, gibt es nicht.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir wissen alle, wie schwierig unsere Lage in finanzieller Sicht derzeit ist. Dennoch sind uns im vergangenen Jahr gute und wichtige Schritte gelungen, um das Leben in der Stadt Siegen zu gestalten und auch um vorhandene Probleme zu lösen.
Hier nenne ich zunächst die beschlossene Errichtung der 3. Gesamtschule in Siegen Geisweid. Was wurden wir von SPD und Linke angegriffen, als wir es als GRÜNE wagten, in einem ersten Schritt lediglich die Gesamtschule Eiserfeld zu erweitern. Verrat an der Sache der Gesamtschule wurde uns vorgeworfen. Und, kein Jahr später, haben wir uns mit unseren Koalitionspartnern von CDU und FDP darauf verständigt, die 3. Gesamtschule in Geisweid zu schaffen. Nun, die Kritiker aus den Oppositionsreihen sind verstummt. Man macht, zumindest überwiegend, mit und backt, wie man sprichwörtlich sagt, jetzt doch lieber kleine Brötchen, als gar nicht bei diesem richtungsweisenden Schritt dabei zu sein.

Dass wir als Jamaika-Koalition auch in der einen oder anderen Schulschließungsfrage doch sehr zurückhaltend waren, könnte sich noch als wahrer Segen für unsere Stadt erweisen. Die aktuellen Flüchtlingszahlen machen deutlich: eine Schulentwicklungsplanung, wie sie noch vor einem Jahr aussah, ist heute angesichts vieler zugereister Flüchtlingskinder, überholt.

Wie kompromissfähig unsere Koalition sein kann, haben wir auch bei anderen Themen gezeigt, wie etwa beim Beitritt zum Naturpark mit dem Arbeitstitel „Sauerland-Rothaargebirge“. Nach wie vor sind wir der Meinung, dass es hier Nachbesserungsbedarf gibt, sowohl bei den viel zu geringen Mitbestimmungsmöglichkeiten als auch beim Namen, in dem das Siegerland bislang nicht vorkommt. Aber wir haben uns überzeugen lassen, erst einmal mitzumachen. Wir wollen dazu beitragen, hier noch Verbesserungen zu erzielen.

Ein weiteres Beispiel sind die Debatten um die Gewerbeflächen unserer Stadt. Ich gebe zu, für uns GRÜNE ein nicht ganz einfaches Thema, gilt es doch eine vernünftige Abwägung zwischen den Erfordernissen des Umwelt-, Natur- und Artenschutz einerseits und den Entwicklungen des heimischen Gewerbes andererseits vorzunehmen. Mit der Gewerbefläche Martinshardt 2 ist dies gelungen, mit dem guten Ergebnis, dass unmittelbar anschließende Flächen geschont werden.

Ergänzend dazu haben wir uns mit unseren Koalitionspartnern auf feste Kriterien zur Flächenvergabe im Gewerbegebiet Leimbachtal verständigt, die ja auch schon für lebhafte öffentliche Diskussionen gesorgt haben. Dazu gehört z.B. die Absprache, ausschließliche Firmen des produzierenden Gewerbes zu berücksichtigen. Diesen Weg werden wir bei der Vergabe der Flächen im Gebiet Martinshardt 2 weiterentwickeln.

Auch verkehrspolitisch haben wir einiges auf den Weg gebracht, auch wenn hier die abschließenden Entscheidungen noch ausstehen. Ich erinnere an den Auftrag, verkehrliche Verbesserungen für alle Verkehrsteilnehmer an diversen Knotenpunkten unserer Stadt zu entwickeln, weil der vermeintliche Knotenlöser und von uns immer schon abgelehnte „Siegbergtunnel“ nicht zu finanzieren sein wird. Oder an die Absicht, die Parkraumbewirtschaftung in Siegen neu zu regeln und den Parksuchverkehr deutlich zu reduzieren. Hier wird es sicher bald Entscheidungen geben.
In diesem Zusammenhang ist auch der Beschluss des Kreistags zu nennen, das Schülerticket auch Auszubildenden zur Verfügung zu stellen. Der Busbahnhof Weidenau wird gerade mit großem finanziellem Aufwand bedarfsgerecht umgebaut und die Fahrplanumstellung der Bahn am letzten Wochenende führt zu strukturellen Verbesserungen. Auch das Radfahrklima in Siegen verbessert sich Stück für Stück. Und nicht zuletzt durch die Arbeit des von uns initiierten Arbeitskreises Radverkehr erwarten wir weitere Fortschritte. Insgesamt sehen wir uns durchaus am Beginn des Weges zur nachhaltigen Förderung der Verkehrsarten des Umweltverbunds und der damit verbundenen Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs.

Ausgerechnet im Wirtschaftsplan von ESI, der normalerweise kaum zur Kenntnis genommen wird, findet sich ein interessantes Projekt: der Bau der nach unserer Kenntnis größten Photovoltaikanlage im Stadtgebiet auf den Gebäuden der Kläranlage Rinsenau, der neben der damit verbundenen Umweltentlastung auch dauerhaft die Stromkosten der Kläranlage senken wird und damit einen Beitrag zur Stabilisierung der Abwassergebühren leistet.

Kommen wir nun dazu, was wir uns für 2016 vorgenommen haben. Da sind zunächst zwei originär „grüne“ Themen zu nennen.
Im energiepolitischen Bereich haben wir uns die Weiterentwicklung eines Themas vorgenommen, um das es in der letzten Zeit in Siegen sehr still geworden ist: die Nutzung von Windenergie. Im Mai 2011 wurden 14 potentielle Vorrangflächen für Windenergieanlagen für Siegen identifiziert. Aber die Behandlung der Fragen wie Artenschutz, Windhöfigkeit, Abstandsflächen oder auch die fachlich ungenaue „Parallelplanung“ der Bezirksregierung haben eher Sand in’s Getriebe gestreut als die kommunalen Planungen unterstützt.
Um endlich voranzukommen hat die Jamaika-Koalition Ende 2014 beschlossen, zunächst die 3 Flächen, die allen erforderlichen Untersuchungskriterien entsprechen, weiterzuentwickeln. Gleichzeitig sollte die Verwaltung konstruktive Gespräche mit den Nachbargemeinden und der Bezirksregierung führen. Jedoch: Still ruht der See. Kein Wort mehr, weder von der Verwaltung, noch aus dem politischen Raum. In 2016 werden wir hier wieder ansetzen; wir haben - unbenommen der Flächenfrage - die Errichtung von 10 Windkraftanlagen zum Haushaltsjahr 2014 in Siegen vereinbart. Zeit, dies jetzt umzusetzen!

Auch die nächsten Schritte, die sich aus dem „Integrierten Klimaschutzkonzept der Stadt Siegen“ ergeben, müssen wir jetzt angehen. Seit August 2014 arbeitet der interfraktionell besetzte „Arbeitskreis Klimaschutz“ an der Festlegung unserer klimapolitischen Zielsetzungen für die Stadt Siegen. Entlang von 7 Handlungsfeldern wurden konkrete Leit- und Teilziele formuliert. Nach Aufbereitung der Ergebnisse durch die Verwaltung erfolgt in 2016 die Beratung und Beschlussfassung in den Fachausschüssen bis zum Rat.
Wichtig ist für uns, dass die erarbeiteten Ziele Eingang in das im Entwurf vorliegende städtische „Integrierte Klimaschutzkonzept“ finden und anhand einer konkreten Maßnahmenplanung umgesetzt werden.

Nachdem das Thema Förderung des Tourismus in Siegen jahrelang im unverdienten Dornröschenschlaf gelegen hat, haben wir gemeinsam mit unseren Koalitionspartnern das Thema auf die politische Tagesordnung geholt und gehen davon aus, dass wir in 2016 zusätzlich zu den Themen Bewerbung Landesgartenschau und Stadtfest weitere Verbesserungen erreichen werden, gerade auch für die Weiterentwicklung in Siegens Stadtteilen.

Im Haushalt 2016 ist die von uns schon seit langem geforderte Erweiterung des Schlossparks, verbunden mit dem Abriss der alten Jugendherberge, veranschlagt. Hiermit gelingt endlich die lange angedachte Erweiterung des Parks am Oberen Schloss. Das neu zu gestaltende Areal bietet mit dem Teilstück unterhalb des großen Krebses jedenfalls gute Gestaltungsmöglichkeiten, um die Aufenthaltsqualität im Park zu verbessern. Diese Maßnahmen sind eingebettet in das erfolgversprechende Grünflächenkonzept der Stadt Siegen, wie z.B. auch die Neugestaltung des Siegbergs.

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich komme zu einem Thema, das zurzeit viele Bürgerinnen und Bürger bewegt. Mindestens 800 der Stadt Siegen zugewiesene und die wechselnden 450 Flüchtlinge in der Notunterkunft haben wir 2015 in unserer Stadt aufgenommen. Eine große Herausforderung für eine Kommune, die nicht über hinreichend freien Wohnraum verfügt und auch finanziell nicht auf Rosen gebettet ist. Die Art und Weise aber, wie sich die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt und die vielen Gruppen, wie zum Beispiel Gemeinden, Feuerwehr und studentische Gruppen – um nur einige zu nennen - hier eingesetzt haben und weiterhin einsetzen, ist vorbildlich. Dabei geht es nicht nur um die einfache Basisversorgung. Viele, viele Menschen engagieren sich, um den zu uns Geflüchteten den Einstieg in den verschiedenen Lebensbereichen zu erleichtern. Sei es durch Sprachförderung, durch Einkaufshilfen, durchs Dolmetschen, bei der Krankenversorgung, Schulanmeldung, Essensausgabe und, und, und.
Meine Damen und Herren, dieses Engagement ist beispielstiftend, es ist gut und von großer Mitmenschlichkeit getragen. Dafür möchte ich mich auch im Namen meiner Fraktion an dieser Stelle ausdrücklich bei allen, die helfen, bedanken: Ohne dieses Engagement wäre unser Gemeinwesen ärmer.
Und auch die Verwaltung verdient hier große Anerkennung. Was hier zunächst improvisiert, aber doch mit großer Professionalität geschafft wurde ist aller Ehren wert. Ich meine dabei nicht nur die hervorragend engagierten Mitarbeiter aus dem Jugend- und Sozialbereich, nein, es gehören viele dazu: die Mitarbeiterinnen im Kantinenbereich, die Hausmeister, die zum Teil ohne Blick auf die Uhr immer einsatzbereit sind, die Hochbauingenieure, die zusammen mit der Handwerkerschaft zum Teil in Windeseile neue Unterkünfte bezugsfertig machen, und viele andere mehr.

Wir möchten an dieser Stelle auch dem Bürgermeister danken, der keinen Zweifel daran lässt, dass wir den Menschen, die zu uns kommen, anständig und menschlich begegnen! Das allgemeine Jammern, wie es viele andere Bürgermeister Land auf, Land ab betreiben, ist, bei allen Schwierigkeiten, Ihre Sache nicht, Herr Bürgermeister. Für diese Politik und auch Ihre persönliche Haltung unterstützen wir Sie gerne und aus großer Überzeugung.
Siegen wird sich durch die Flüchtlinge auch ändern. Und das sehen wir durchaus als Chance: arbeiten wir gemeinsam daran, dass wir in einer offenen, vielfältigen und bunten Stadt leben können. Im kommenden Jahr wird die Integration der Flüchtlinge in alle relevanten Bereiche unseres städtischen Zusammenlebens ein Schwerpunkt unserer Arbeit sein.

Sehr geehrte Damen und Herren,
das vergangene Jahr war ereignisreich und wir haben viele Probleme in dieser Stadt zum Teil gemeinsam gemeistert.
Eine der größten und dauerhaften Herausforderungen bleibt aber die Haushaltskonsolidierung. Diese gehen wir mit unseren Anträgen zum Haushalt mit Nachdruck an. Wir sind guter Dinge, dass wir trotz der zum Teil schmerzlichen Entscheidungen das Richtige tun. Und wir sind der Überzeugung, dass wir trotz aller Notwendigkeit zum Sparen, auch die Gestaltungsmöglichkeiten erhalten müssen, um unsere Stadt weiterzuentwickeln. Die Offenlegung der Sieg und Neugestaltung des Siegufers und der Siegener Innenstadt zeigen, dass dies auch in Zeiten knapper Ressourcen möglich ist.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

Für die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN
im Rat der Universitätsstadt Siegen

Lisa Bleckmann
Stadtverordnete

zurück

Grüne Geschäftsstelle

BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Stadtverband Siegen
Löhrstr.12, 57072 Siegen
0271 / 38750662
stadtverband@remove-this.gruene-siegen.de