Resolution zur kommunalen Wasserversorgung

Nachdem sowohl von der SPD-Fraktion wie von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (siehe unten)   jeweils Anträge mit Resolutionsentwürfen zu diesem Thema zur Sitzung des Rates der Stadt Siegen am 10.04.13 eingereicht wurden, einigten sich die beiden Fraktionen auf folgenden gemeinsamen Antrag:

Kommunale Daseinsvorsorge sichern: Wasser ist keine Handelsware - die kommunale Wasserversorgung darf nicht gefährdet werden
Resolution zur geplanten europäischen Konzessionsrichtlinie

Beschlussvorschlag:
Der Rat der Stadt Siegen spricht sich gegen die in der von der EU geplanten europäischen Konzessionsrichtlinie enthaltenen Maßnahmen zur Liberalisierung des Trinkwassermarktes aus. Er fordert sowohl die Bundesregierung, die Europaabgeordneten wie auch die europäische Kommission auf, folgende Grundsätze zu berücksichtigen und Maßnahmen umzusetzen:

  1. Der Rat der Stadt Siegen bekennt sich dazu, dass Wasser ein Naturgut ist, das geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss. Der Zugang zu Wasser ist ein Menschenrecht. Wasser kann deshalb keine übliche Handelsware sein.

  2. Der Rat der Stadt Siegen beobachtet mit Sorge, dass es im Zuge der Verhandlungen auf europäischer Ebene bisher nicht gelungen ist, die kommunale Wasserversorgung dauerhaft aus dem Anwendungsbereich der geplanten EU-Konzessionsrichtlinie herauszunehmen.

  3. Die Gestaltungshoheit und der Handlungsspielraum der Kommunen zur Vergabe und Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge dürfen nicht durch europäische Wettbewerbsregelungen unangemessen eingeschränkt werden.

  4. Die sichere Bereitstellung von sauberem und bezahlbarem Trinkwasser hat eine herausragende Bedeutung für das Wohl der Allgemeinheit.

  5. Einer Privatisierung des Wassersektors, die die Wasserversorgung allein den Regeln des Marktes unterwirft und dem kommunalen Aufgabenbereich der Daseinsvorsorge entzieht, ist im Interesse des Allgemeinwohls und des Ressourcenschutzes entgegenzutreten.

  6. Die jüngst von EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier vorgeschlagene Beschränkung des Anwendungsbereichs der geplanten Konzessionsrichtlinie bei Wasserkonzessionen ist nicht ausreichend, da trotz dieser Änderungsvorschläge weiterhin die Möglichkeit einer schrittweisen, graduellen oder konditionalen Öffnung und Privatisierung des Wassersektors besteht. Dies ist allein durch die komplette Ausnahme jenes Sektors von der Ausschreibungspflicht zu verhindern.

  7. Der Rat der Stadt Siegen spricht sich daher dafür aus, die Wasserversorgung nicht den Binnenmarktregelungen zu unterwerfen.

  8. Der Rat der Stadt Siegen fordert die Bundesregierung und das EU-Parlament auf, sich auf allen Ebenen dafür einzusetzen, dass es im Rahmen der EU-Konzessionsrichtlinie zu
    keinerlei Liberalisierungs- und Privatisierungstendenzen bei der öffentlichen Trinkwasserversorgung in der EU kommt und dass der Vorschlag der EU-Kommission für eine Konzessionsrichtlinie insoweit zurückgenommen oder entsprechend geändert wird.

  9. Der Rat der Stadt Siegen verweist darauf, dass die Wasserversorgung ein Kernstück der kommunalen Daseinsvorsorge ist, d.h. auch, dass Optionen zur Rekommunalisierung und zur Bildung von interkommunalen Wasserversorgungsverbünden zu gewährleisten sind. Diese bewährten Strukturen gilt es im Interesse von Umwelt, Bürgerinnen und Bürgern und kommunaler Selbstverwaltung zu bewahren.

Begründung:

Der Vorschlag der EU-Kommission (KOM(2011) 897 endgültig) vom 20. Dezember 2011 zur Schaffung einer EU-Richtlinie zur Vergabe von Konzessionen befindet sich derzeit in der heißen Phase der Verhandlungen in Rat und Parlament der EU. Der Vorschlag ist Teil des Pakets zur Neuordnung des EU-Vergaberechts und der sogenannten Binnenmarktakte.

In seiner Sitzung am 24. Januar 2013 hat der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz des Europaparlaments den Kommissions-Entwurf in veränderter Fassung angenommen. Der vorgesehene Anwendungsbereich berührt auch die öffentliche Trägerschaft der Trinkwasserversorgung in den Kommunen.

Vorbehaltlich des weiteren Beratungsprozesses und einer letztlichen Annahme durch das Plenum des Europäischen Parlaments und durch den Ministerrat trägt die jetzt vom Binnenmarktausschuss verabschiedete EU-Konzessionsrichtlinie dazu bei, dass die kommunale Selbstverwaltung in einem Kernbereich der Daseinsvorsorge beeinträchtigt wird.

Der Vorschlag für eine Richtlinie über die Konzessionsvergabe sieht vor, dass Privatunternehmen der Zugang zu öffentlichen Konzessionen ermöglicht werden soll. Die meisten Dienstleistungskonzessionen werden im Bereich der netzgebundenen Dienste, wie im Energie-, Wasser-, Kommunikations- und Verkehrsbereich vergeben. Sie sind Dienste von allgemeinem (wirtschaftlichen) Interesse und sind bisher vom Anwendungsbereich des Vergaberechts ausgenommen.

Zwar sieht die Richtlinie im jetzigen Stadium keine allgemeine Liberalisierung der Trinkwasserversorgung vor, und sie nimmt vor allem auch Kommunen von einer europaweiten Ausschreibungspflicht aus, die die Dienstleistung Trinkwasserversorgung im Zuge der Daseinsvorsorge selbsttätig erbringen. Sie eröffnet aber in ihrer jetzigen Form über die bei künftigen Verträgen vorgesehene Ausschreibungspflicht für teilprivatisierte Stadtwerke, die mehr als 20% ihres Geschäfts außerhalb der eigenen Stadt oder Gemeinde erbringen, einen Liberalisierungsrahmen, durch den die bewährte Praxis der Trinkwasserversorgung in den Kommunen unterhöhlt zu werden droht.

Die Richtlinie würde somit tief in die Organisationsfreiheit der Kommunen in Bezug auf ihren Daseinsvorsorgeauftrag eingreifen. Der hohe und europaweit führende Qualitätsstandard des Trinkwassers in Deutschland ist in hohem Maße auf die von den Kommunen verantwortete Wasserversorgung zurückzuführen.

Bei einer EU-weiten Ausschreibung stünde zu befürchten, dass die Trinkwasserqualität zum Nachteil der Verbraucherinnen und Verbraucher signifikant sinkt.

Beschlussvorschlag und Begründung entsprechen in angepasster Form im Wesentlichen einem gemeinsamen Antrag der Fraktionen von SPD, CDU, Bündnis 90/DIE GRÜNEN und PIRATENPARTEI im Landtag NRW.

Ergebnis der Abstimmung im Rat: angenommen mit 62 Stimmen dafür, 3 dagegen (FDP), keine Enthaltung

Resolution gegen die Privatisierung der Wasserversorgung

Antrag zur Sitzung des Rates der Stadt Siegen am 10.04.2013
Resolution gegen die Privatisierung der Wasserversorgung

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Mues,

die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bittet, folgende Resolution auf die Tagesordnung der Sitzung des Rates der Stadt Siegen am 10.04.2013 zu setzen:

Resolution
Der Rat der Stadt Siegen spricht sich gegen die Gesetzesinitiative des Europäischen Parlaments zur "Liberalisierung des Trinkwassermarktes" aus.

Er fordert sowohl  die Bundesregierung, die Europaabgeordneten wie auch die Europäische Kommission auf,

  1. sich für einen Gesetzesvorschlag für das Menschenrecht auf Wasser und sanitäre Grundversorgung entsprechend der Resolution der Vereinten Nationen einzusetzen und eine funktionierende Wasser- und Abwasserwirtschaft als existenzsichernde öffentliche Dienstleistung für alle Menschen zu fördern,

  2. die Wasserwirtschaft von der Liberalisierungsagenda auszuschließen und aus der EU-Konzessionsrichtlinie herauszunehmen,

  3. die kommunale Wasserversorgung zu stärken, Optionen zur Rekommunalisierung und zur Bildung von interkommunalen Wasserversorgungsverbünden zu gewährleisten.

Der Rat der Stadt Siegen spricht sich darüber hinaus generell gegen eine Veräußerung der Wasserversorgung in Siegen an private Dritte aus.

Der Rat der Stadt Siegen unterstützt ausdrücklich sowohl die Europäische Bürgerinitiative"Wasser ist ein Menschenrecht", als auch die Position des Deutschen Städtetags, der sich eindeutig für den Verbleib der Wasserversorgung in öffentlicher Hand ausgesprochen hat.

Begründung
Wasser ist ein Menschenrecht. Die Wasserversorgung als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge darf nicht zum Spekulationsobjekt global agierender Konzerne werden. Die EU-Kommission will die Privatisierung der Wasserversorgung jetzt erleichtern. Die kommunale Wasserwirtschaft muss jedoch unabhängig von ihrer Rechtsform in kommunaler Hand bleiben können.

Die Planungen der EU gehen auch nach Meinung des Deutschen Städtetags grundlegend in eine falsche Richtung. Denn die kommunale Wasserwirtschaft in Deutschland sichert eine hohe Qualität des Trinkwassers zu bezahlbaren Preisen und investiert nachhaltig in die Infrastruktur. Dies konstatiert der Deutschen Städtetag in der Sitzung des Hauptausschusses am 06. Februar 2013 und erhebt die Forderung an die Bundesregierung und die EU Kommission, sich gegen die Privatisierung der Wasserversorgung auszusprechen.

Die von der EU-Kommission vorgeschlagene Konzessions-Richtlinie schlägt einen ausschließlich marktwirtschaftlichen Kurs bei der Wasserversorgung ein mit einer Pflicht zur EU-weiten Ausschreibung. Von den neuen Regeln aus Brüssel sollen nur diejenigen Kommunen ausgenommen werden, die ihre Wasserversorgung noch komplett in öffentlicher Hand haben.

In der Vergangenheit hatte aber gerade die EU-Kommission die Städte und Kommunen aufgefordert, Private an der Wasserversorgung zu beteiligen. Das haben viele Städte in Deutschland aus finanzieller Not getan. Nun kann genau dies diesen Kommunen zum Verhängnis werden, weil die Möglichkeiten, die Wasserversorgung wieder zu 100 Prozent in öffentliche Hand zu bekommen, begrenzt werden.

Faktisch wird mit der Richtlinie in die Organisationshoheit der Städte und Gemeinden eingegriffen und macht die Ausübung der Dienstleistung – wie etwa der Wasserversorgung durch kommunale Unternehmen v.a. der Stadtwerke - unmöglich. Interkommunale Kooperation (z.B. im Zweckverband) wird in Zukunft so nur noch sehr aufwendig zu organisieren sein, weil künftig nur noch eine echte, nach den Vorstellungen der Kommission arbeitsteilige Zusammenarbeit erlaubt sein soll. D.h. es wird ausgeschlossen, dass eine Kommune eine Leistung gegen Entgelt für eine andere erbringt. Das ist allerdings längst die Regel. Die Vorgabe der Kommission wäre somit völlig praxisfern.

Interkommunale Zusammenarbeit ist u.a. ein zentrales Instrument für die Bewältigung des demografischen Wandels. Für die Bürger/-innen wird es in jedem Fall teurer, weil viele Kommunen nun notgedrungen aufwendige Umstrukturierungen vornehmen müssen, um nicht europaweit ausschreiben und mit den großen Wasserkonzernen mitbieten zu müssen. Die Erfahrungen z.B. in England zeigen, dass in diesem Falle die Preise steigen und die Wasserqualität leidet, weil private Wasserversorger in erster Linie Gewinne machen müssen.

Deshalb sollte der Rat der Stadt Siegen sowohl die Europäische Bürgerinitiative  "Wasser ist ein Menschenrecht" unterstützen, die bis September europaweit eine Million Unterschriften sammeln will, damit das Anliegen auf die politische Agenda der EU-Kommission gesetzt werden muss, als auch die Position des Deutschen Städtetags unterstützen, der sich eindeutig für den Verbleib der Wasserversorgung in öffentlicher Hand ausgesprochen hat.

Grüne Geschäftsstelle

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