Resolution zu dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur sog. „Instrumentenreform“

Antrag zur Sitzung des Rates der Stadt Siegen am 21.12.2011

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Mues,


wir bitten Sie, folgenden Beschlussvorschlag in der kommenden Sitzung des Rates der Stadt Siegen zur Abstimmung zu stellen:

Beschlussvorschlag
Der Rat der Stadt Siegen beschließt, sich dem breiten Protest gegen die Instrumentenreform gemäß der Stellungnahme des Städtetages anzuschließen und appelliert an alle Siegener Bundestagsabgeordneten, im Bundestag gegen die geplante Gesetzesänderung in der jetzigen Form zu stimmen.

Begründung
Das Bundeskabinett hat am 25.05.2011 dem Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt, der sog. „Instrumentenreform“ zugestimmt. Das Gesetz befindet sich derzeit im parlamentarischen Verfahren.
Mit diesem Gesetzesentwurf verbunden sind einige weitreichende Veränderungen bezüglich des SGB II als auch SGB III. Zusammenfassend muss man jedoch leider festhalten, dass mit diesen Veränderungen große Einschnitte für die Eingliederung von jungen Menschen und Langzeitarbeitslose verbunden sind. So beinhaltet die Instrumentenreform finanzielle Kürzungen, die im Rahmen der Sparziele der Bundesagentur für Arbeit bis 2015 rund 7,8 Mrd. Euro betragen sollen. Dies trifft vor allen Dingen die Menschen, die von der momentanen konjunkturellen Lage und dem damit verbundenen Rückgang der Arbeitslosenzahlen am allerwenigsten profitieren. Bundesweit geht die G.I.B. (Gesellschaft für innovative  Beschäftigungsförderung mbH) von 400.000 bis 450.000 Menschen ohne Integrationsperspektive für den Arbeitsmarkt aus.

In der Stadt Siegen werden von den Sozialverbänden und Beschäftigungsträgern
Qualifizierungsmaßnahmen z.B. in Form von Arbeitsgelegenheiten AGHs für Langzeitarbeitslose erfolgreich angeboten. Wichtig ist hier eine verlässliche und kontinuierliche Arbeit gerade mit „…besonderen Problemgruppen wie z.B. ehemalige Alkohol- oder Drogenabhängige sowie psychisch kranke Menschen…“.
Bei den durch den Gesetzesentwurf vorgesehenen Kürzungen in Form von einer „…Pauschalisierung der Zuschüsse an die Träger von AGHs in Höhe von 150,- € je Teilnehmer und Monat (ohne Angabe eines Betreuungsschlüssels oder Berechnungsgrundlage) ist die Qualität und das Angebot nicht aufrecht zu
erhalten …“ (Auszug aus einer Stellungnahme des Städtetages vom 27.04.2011)

Es gibt mittlerweile außer der Kritik des Städtetages eine Vielzahl von Kommunen und Kreisen, welche sich der Kritik an dem durch die Bundesregierung vorgelegten Gesetzesentwurf zur Instrumentenreform angeschlossen haben.
Zu nennen ist hier u.a. der Rat der Stadt Dortmund, der Rat der Stadt Leverkusen, der Rat der Stadt Düsseldorf, der Rheinkreis Neuss, der Landtag NRW, der Rat der Stadt Münster etc. Mit freundlichen Grüßen

Anhang

Position des Städtetages
So hat der Städtetag bereit in seiner ersten Stellungnahme vom 27.04.2011 ausgeführt: „Allgemeine Anmerkungen
Die im Referentenentwurf genannten Ziele stoßen auch bei uns auf breite Zustimmung. Dezentralität, Flexibilität, Individualität, Qualität und Transparenz sollte jedoch nicht bloß wohlklingende Ziele sein, sondern durch die Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente tatsächlich verfolgt werden.
Hierin bestehen angesichts der vorgelegten Änderungsvorschläge und der vorgesehenen massiven Reduzierung der aktiven Arbeitsmarktmittel jedoch Zweifel. Vor dem Hintergrund der sehr ambitionierten Sparvorgaben befürchten wir vielmehr, dass damit ein erheblicher Rückgang bei der Bewilligung von Leistungen einhergehen wird. Insbesondere die Beschäftigungsförderung für arbeitsmarktferne
Langzeitarbeitslose könnte vor diesem Hintergrund als "zu teuer" eingestuft werden, da eine schnelle Integration in den regulären Arbeitsmarkt hier trotz verbesserter konjunktureller Lage oftmals nicht zu erwarten sein wird. Eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Vermittlungs- und Integrationsarbeit erscheint uns, die verfestigte Regelung des SGB III als Referenzgesetz für das SGB II aufzubrechen.

Die Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik müssen ohne Zweifel zwischen beiden Rechtskreisen abgestimmt sein, allerdings muss der Leistungskatalog im SGB II stärker am Erhalt und der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit und bei verfestigter Langzeitarbeitslosigkeit auch auf die Teilhabe am Arbeitsleben
ausgerichtet sein. Diese unterschiedlichen Bedarfe müssen sich in verschiedenen Instrumenten und Fördervoraussetzungen in Sozialgesetzbüchern II und III widerspiegeln. Gerade in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs und des drohenden Fachkräftemangels müssen auch Personen mit multiplen Vermittlungshemmnissen individuell und in ausreichender Höhe gefördert werden, um die weiter steigende
Sockelarbeitslosigkeit überwinden zu können.

Hinzu kommt, dass das SGB II auch eine Vielzahl von Personengruppen umfasst, die dem Arbeitsmarkt (noch) nicht zur Verfügung stehen, beispielsweise Schüler, Jugendliche in Ausbildung, Alleinerziehende mit Kindern unter 3 Jahren. Auch für diese Gruppen sollten Fördermöglichkeiten vorgesehen werden, beispielsweise in
der Unterstützung von Schülern bei der Berufsorientierung oder bei der  Heranführung von Alleinerziehenden mit Kindern unter 3 Jahren den Arbeitsmarkt.
Bewertung einzelner Regelungen Es steht zu befürchten, dass der in vielen Städten sehr gute qualifizierungs- und beschäftigungsfördernde Arbeitsmarkt zunichte gemacht wird, wenn die Verschmelzung der bislang vorhandenen drei Instrumente
der öffentlich geförderten Beschäftigung zu zweien unter restriktiveren Fördervoraussetzungen bei extrem gekürzten Trägerbudgets realisiert wird, da dann dieser Arbeitsmarkt qualitativ und quantitativ nicht aufrecht erhalten werden kann. Mit der Pauschalierung der Zuschüsse an die Träger von Arbeitsgelegenheiten in Höhe von insgesamt max. 150 € je Teilnehmer und Monat (ohne Angabe eines
Betreuungsschlüssels oder Berechnungsgrundlage) ist die Qualität und das Angebot nicht aufrecht zu erhalten. Dies gilt insbesondere für kosten-aufwändige Maßnahmen für besondere Problemgruppen wie z.B. ehemalige Alkohol- oder Drogenabhängige sowie psychisch kranke Menschen. Neben der raschen Integration in den ersten Arbeitsmarkt muss daher auch das Ziel der sozialen Stabilisierung durch öffentlich
geförderte Beschäftigung im SGB II verankert und durch praktikable Regelungen gesichert werden.

Die im Referentenentwurf vorgesehenen Neuregelungen stellen die Arbeitsgelegenheiten vor diesem Hintergrund grundsätzlich in Frage. Die Verschärfung der Förder-kriterien durch die zusätzliche Regelung zur "Wettbewerbsneutralität" führt nach unserer Einschätzung letztlich wohl zur Abschaffung der Arbeitsgelegenheiten. Jedenfalls wird die neue Fördervoraussetzung "Wettbewerbsneutralität" in Verbindung mit der extremen Verbürokratisierung der Stellengenehmigungen für Arbeitsgelegenheiten durch Geschäftsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zu einer weiteren Reduzierung der Plätze im
öffentlich finanzierten und organisierten Arbeitsmarkt führen. Sinnvoller wäre es, diese Kriterien im Gesetz weitgehend zu streichen und dafür vor-zusehen, dass die Einsatzbereiche des öffentlich finanzierten und organisierten Arbeitsmarktes im Rahmens eines Verhandlungsverfahrens lokal bzw. regional zwischen
Trägern, Jobcenter und evtl. Gewerkschaften festgelegt werden.

Auch die bisherigen Beschäftigungszuschüsse nach § 16 e SGB II werden bei Inkrafttreten der vorgesehenen Neuregelungen wohl nicht mehr anfallen, da hier ebenfalls die eigenständigen Fördervoraussetzungen der Zusätzlichkeit, des öffentlichen Interesses sowie der Wettbewerbsneutralität verlangt werden. Da hier aber mindestens 25 % des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgeltes wie bisher
vom Arbeitgeber selbst aufzubringen sind, muss diesem die Möglichkeit gegeben sein, diese Personalkosten auf dem freien Markt erwirtschaften zu können. Die Förderung der beruflichen Weiterbildung (§ 81 ff. SGB III) muss modernisiert und den aktuellen Erfordernissen angepasst werden. Die besonderen Förderbedarfe
bildungsferner Zielgruppen bzw. die hohe Bedeutung abschlussbezogener modularisierter beruflicher Ausbzw. Weiterbildung müssen explizit im Gesetz berücksichtigt werden.“

 

Ergebnis der Abstimmung im Rat: angenommen

Grüne Geschäftsstelle

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