Keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit

Anfrage zur Sitzung des Haupt-  und Finanzausschusses der Stadt Siegen am 08.06.2011

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

Mit 13 Stimmen dafür, 1 dagegen, keiner Enthaltung beschloss der HFA (Vorlage im Anhang) am 2.11.2005 Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit bei der Vergabe städtischer Aufträge auszuschließen. Insbesondere sollen seit 2005 Produkte gemäß Ilo-Konvention 182 ausgeschlossen werden. Die Ausschreibungsunterlagen sind, so der Beschluss aus 2005, entsprechend zu ergänzen.

Wir fragen:

  1. Wurde der Beschluss vom 02.11.2005 umgesetzt? Wenn ja, wurde die in der Vorlage dargelegte Form eingehalten? Wenn nein, warum nicht?
  2. Wie viele Anbieter wurden aufgrund der beschlossenen Vorschriften seit dieser Zeit ausgeschlossen? Um wie viele Auftragsvergaben handelte es sich im Einzelnen?
  3. Gab oder gibt es Firmen, die die entsprechenden Angaben verweigern oder einfach nicht machen? Wie geht die Verwaltung mit diesen Anbietern um?

 

Auszug aus dem Protokoll der Sitzung des HFA am 08.06.2011
3. Fragestunde
3.1 Keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit
Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 01.06.2011
Herr Stojan beantwortet die Fragen:

Frage 1: Wurde der Beschluss vom 02.11.2005 umgesetzt? Wenn ja, wurde die in
der Vorlage dargelegte Form eingehalten, wenn nein, warum nicht?
Bei städtischen Auftragsvergaben kommt ausbeuterische Kinderarbeit vermutlich am
häufigsten bei der Warengruppe „Steine“ bei Baumaßnahmen in Betracht. Seit 2005
sind keine größeren Maßnahmen des Tiefbaus mit Pflasterarbeiten mehr erfolgt. Für
das Bauprojekt „Siegen zu neuen Ufern“ wurde als Naturstein chinesischer Granit
ausgesucht. Bei der Ausschreibung dieses Steins wird eine Zertifizierung verlangt,
dass die Steine nicht in ausbeuterischer Kinderarbeit hergestellt wurden.
Ob der Beschluss von 2005 bei anderen Baumaßnahmen umgesetzt wurde, lässt
sich nur durch eine aufwändige Kontrolle der Unterlagen in den Fachabteilungen
feststellen.

Eine Selbstverpflichtung von Unternehmen, keine Produkte aus ausbeuterischer
Kinderarbeit anzubieten, wurde seit dem Beschluss des Haupt- und
Finanzausschusses 2005 bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des
Vergaberechts 2009 nicht gefordert. Der Grund hierfür war die umstrittene rechtliche
Beurteilung. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund und verschiedene
Vergaberechtsexperten sahen in der Öffnung des rein produkt-, eignungs- und
leistungsbezogenen Vergaberechts für vergabefremde und politisch motivierte
Aspekte keinen Spielraum. Ein Bieter, der den geforderten Nachweis nicht führen
konnte und ausgeschlossen worden wäre, hätte bei einer Klage gute Aussichten und
Schadensersatzansprüche gehabt.

2009 erfolgte mit dem Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts eine
Klarstellung im Hinblick auf Kinderarbeit. In der Begründung zu dem Bundesgesetz
heißt es, dass eine gesonderte Erklärung nicht erforderlich ist, da Aufträge nur an
„fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen...“ vergeben werden
dürfen.
Den Tatbestand der Zuverlässigkeit erfüllen nur Unternehmen, die deutsche Gesetze
einhalten. Die international vereinbarten Grundprinzipien und Rechte, wie die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zum Verbot der Kinder- und Zwangsarbeit sind zwingender Bestandteil der Rechtsordnung und damit der Vergaberegeln. In Deutschland agierende Unternehmen, die diese Grundprinzipien und Rechte nicht beachten, müssen aufgrund fehlender Zuverlässigkeit vom Wettbewerb um öffentliche Aufträge ausgeschlossen werden.

Eine Erklärung, keine Produkte aus Kinderarbeit anzubieten, hätte somit lediglich
deklaratorischen Charakter. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch die Lieferanten
nicht immer wissen, ob sämtliche Einzelteile ihrer Produkte unter akzeptablen
Bedingungen und ohne Kinderarbeit hergestellt wurden. Eine effektive Kontrolle, ob
vorhandene Nachweise echt sind und der Wahrheit entsprechen, ist ebenfalls nur
schwer möglich.

Frage 2: Wie viele Anbieter wurden aufgrund der beschlossenen Vorschriften seit
dieser Zeit ausgeschlossen? Um wie viele Auftragsvergaben handelte es sich im
Einzelnen?
Bisher ist kein Ausschluss aufgrund mangelnder Zuverlässigkeit wegen Kinderarbeit
erfolgt.

Frage 3: Gab oder gibt es Firmen, die die entsprechenden Angaben verweigern oder
einfach nicht machen? Wie geht die Verwaltung mit diesen Anbietern um?
Es ist kein Fall bekannt, bei dem nachgeforderte Nachweise nicht vorgelegt wurden.
Herr Groß möchte sichergestellt wissen, dass das Verfahren künftig beachtet wird.

Auszug aus dem Protokoll der Sitzung des Vergabeausschusses der Stadt Siegen vom 15.11.2011

Vermeidung der Beschaffung von Produkten aus schlimmsten
Formen der Kinderarbeit

In Zusammenhang mit einer Anfrage im Haupt- und Finanzausschuss am 08.06.2011 wurde zugesagt, über das Verfahren zur Vermeidung der Beschaffung von Produkten aus schlimmsten Formen der Kinderarbeit zu informieren.

Grundsätzlich müssen Unternehmen, die das international vereinbarte Verbot der Kinder- und Zwangsarbeit nicht beachten, aufgrund mangelnder Zuverlässigkeit vom Wettbewerb ausgeschlossen werden. Zusätzlich wird in Siegen eine Erklärung zur Vermeidung der Beschaffung von Produkten aus schlimmsten Formen der Kinderarbeit gefordert, wenn die nachfolgend aufgeführten Warengruppen betroffen sind:
Bälle, Sportartikel, Sportbekleidung, Spielwaren, Teppiche, Wohn- und Kleidungstextilien, Natursteine, Pflastersteine, Lederprodukte, Billigprodukte aus Holz, Agrarprodukte (z.B. Kakao, Orangensaft, Tomaten), sofern sie aus südlichen Ländern kommen.

In der Praxis sind in Siegen die Vergabevermerke, mit deren Hilfe ein Vergabeverfahren zwischen den Fachabteilungen und der Zentralen Vergabestelle sowie dem Rechnungsprüfungsamt und der Kämmerei dokumentiert wird, angepasst worden. Sobald eine Fachabteilung einen Beschaffungsbedarf hat bzw. ein Bauvorhaben ausschreiben möchte, hat sie im Vergabevermerk auszufüllen, ob die Erklärung zur Vermeidung von Kinderarbeit erforderlich ist oder nicht.

Die Zentrale Vergabestelle fügt dann das Formular nach den Vorgaben der Bedarfsstellen den Vergabeunterlagen bei. Es wird die Erklärung aus dem Vergabehandbuch des Landes Nordrhein-Westfalen für die Vergabe von Leistungen genutzt (siehe Rückseite).

Bisher wurde die Erklärung stets unterschrieben zurückgegeben. Auch eine Nachforderung musste nicht erfolgen. Seit dem Sommer 2011 wurde die Erklärung bei mehreren Vergabeverfahren angefordert, unter anderem bei folgenden Ausschreibungen:

  • Mittagsverpflegung an städtischen Schulen
  • Schutzkleidung für die Feuerwehr
  • Freiraumarbeiten um das fertiggestellte Werkhaus auf dem Erfahrungsfeld Schön und Gut am Fischbacherberg und Außenanlage am Erweiterungsbau der Haardter Berg-Hauptschule
  • Sanierung Stützmauer Obergraben

 



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