Haushaltsrede zum Haushalt 2021

geschrieben von Michael Groß

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

als wir im September 2020 mit 16,95% das beste Ergebnis aller Zeiten für uns GRÜNE in Siegen erzielten, war für uns klar: jetzt können wir mit Schwung und Energie den Umbau unserer Stadt weiterführen! Wir wollten anknüpfen an die politischen Erfolge der vergangenen Jahre mit den Entscheidungen z. B. zur Neugestaltung des Oberen Schlosses, zur neuen Parkanlage am Herrengarten und zur Neugestaltung des Siegufers. Auch in Sachen Klimaschutz, so dachten wir, haben wir einen klaren Gestaltungsauftrag erhalten. Nun sollte es darum gehen, die Entscheidungen aus 2019/2020 u.a. zur C02-Neutralität, zur Schaffung eines guten Radwegenetzes und zum Ausbau erneuerbarer Energien auch praktisch umzusetzen.

Ich muss Ihnen sagen, meine Damen und Herren: es ist schon sehr ernüchternd zu erleben, dass insbesondere die CDU dann in ihrer Mehrheit für ein Bündnis mit der SPD votierte. Ein Zeichen dafür, dass man eine moderne ökologische Stadtgestaltungs- und Klimapolitik nicht weiter für erforderlich hält.

 

Wie kam es dazu? In den Sondierungsgesprächen mit der CDU haben wir GRÜNE deutlich gemacht, dass es für einen nachhaltigen Klimaschutz in unserer Stadt erforderlich ist, alle Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung, die mit diesem Thema befasst sind, in einem Dezernat zusammenzuführen und dieses personell nach und nach aufzustocken. Für uns war dies die Erkenntnis der letzten Legislaturperiode: es mangelte nicht an den politisch sinnvollen Entscheidungen, sondern daran, dass diese einfach von der Verwaltung nicht umgesetzt wurden. Die Zuständigkeiten lagen oftmals in verschiedenen Dezernaten. Das bedeutete nur allzu oft das Aus für die guten Klimaentscheidungen. Oftmals wurde gar nicht erkennbar, wo die Verantwortung lag.

Bürgermeister und CDU lehnten eine Änderung der Arbeitsorganisation kategorisch ab, konnten aber nicht  aufzeigen, wie es denn ohne unsere Vorschläge weitergehen könnte. Zeitgleich, das wissen wir heute, verabredete man mit der SPD eine Zusammenarbeit ohne das Kernproblem der fehlenden Umsetzung klimarelevanter Beschlüsse anzugehen!

 

Aber so dramatisch diese Entwicklung u.a. für den Klimaschutz im Gesamten ist: es hilft kein Jammern,  es muss und es wird weitergehen! GRÜNE können auch Opposition!  Dann bringen wir eben als Oppositionspartei unsere guten Ideen ein, auch wenn die ersten Monate der GroKo schon zeigen, dass hier „durchregiert“ wird. Die Vorschläge anderer Parteien werden schon deshalb abgelehnt, weil sie nicht von ihr selbst kommen. Wenig souverän und keine gute Entwicklung für unsere Stadt.

Es ist einfach unbegreiflich, wie man beispielsweise unseren Antrag, die Bürgerschaft unserer Stadt in Entscheidungsprozesse besser einzubinden und dafür mit den Bürger*innen zusammen realistische Ideen zu entwickeln, ablehnen kann.

 

Aber lassen Sie uns mal anschauen, was denn CDU und SPD für die kommenden Jahre verabredet haben.

Nun, wie ja leider inzwischen Gang und Gäbe, reihen sich in der Koalitionsvereinbarung der GroKo lose Absichtserklärungen und Prüfaufträge aneinander. Konkretes ist da wenig zu finden. Gerade wenn man die sozialdemokratische Brille aufsetzt, bleibt die Unterschrift unter eine solche Vereinbarung rätselhaft.

Neben all den unverbindlichen Wünschen wird nochmal alles aufgeführt, was der Rat der Stadt Siegen bereits beschlossen hat, zum Teil schon vor vielen Jahren, und beteuert, dass man es gerne fortführen möchte!

Ja, möchte man da rufen: WAS DENN SONST? Klar, die GroKo ist für die Fertigstellung des Schlossparks, klar, man will die Uni in die Stadt holen und ja, auch im Herrengarten wird ein kleiner Park entstehen. Dazu braucht es keine Erwähnung, keine neue Entscheidung. Füllmaterial, um das fehlende Potential wirklicher Gestaltung zu kaschieren.

Nun ja, vielleicht muss das besonders betont werden, da die Sozialdemokraten die meisten dieser Projekte in der Entstehung abgelehnt haben.  Wir wissen es nicht.

 

Ansonsten gibt es einige wenige Ideen, die wir GRÜNE im GroKo-Papier unterstützen können: eine vierte Gesamtschule halten wir für extrem wichtig. Leider fehlt hier aber der Zusatz, dass wir rein von den Zahlen her auch ein Gymnasium in Siegen zu viel haben. Mit uns wird es deshalb keine andere Lösung geben: wir wollen eine vierte Gesamtschule am jetzigen Standort des Peter Paul Rubens Gymnasiums. Dort können wir dem Willen vieler Eltern Rechnung tragen und eine neue Schulform mit neuen konzeptionellen Ideen verwirklichen.

Und auch der Antrag, in Siegen Kulturmarkthallen zu errichten, ist gut. Da machen wir gerne mit, auch wenn hier wieder nur geprüft werden soll.

 

Aber es gibt auch Punkte, die ein Schlag für all diejenigen sind, die sich für den Klimaschutz engagieren. Die Einführung des Begriffs „Ressourcen-schonende Gewerbegebiete“ in die politische Debatte zeigt, dass man sich von der dringend erforderlichen Politik hin zur Klimaneutralität längst verabschiedet hat.

Wir GRÜNE wollen klar CO2-neutrale Gewerbegebiete. Nur so lassen sich die zwingend notwendigen Klimaziele erreichen. Und das nehmen CDU und SPD nach wie vor nicht ernst! Die Notsituation des Planeten und die drohende Zerstörung unserer Lebensgrundlagen sind bei CDU und SPD immer noch nicht verinnerlicht worden. Handlungsleitend ist nicht die katastrophale Klimasituation sondern das Weiterwurschteln ohne grundlegende Veränderungen. Das ist bei der Klimapolitik erkennbar, aber auch beim Festhalten an den Plänen zum Gewerbegebiet Oberschelden/Seelbach! Kein Umdenken. Stattdessen ein stures Weiter so!

 

Hier, meine Damen und Herren, werden wir GRÜNE bei jeder Gelegenheit den Finger in die Wunde legen! Wir kündigen unseren Protest an gegen eine Politik, die auf dem Rücken künftiger Generationen nach wie vor Fläche um Fläche zerstört ohne Rücksicht auf Verluste.

 

Meine Damen und Herren, der Haushalt enthält viele Einzelprojekte, die wir mittragen könnten, da wir sie ja in der letzten Wahlperiode selber auf den Weg gebracht haben. Aber es gibt gewichtige Gründe, ihn

abzulehnen:

  1. Der Haushalt bildet die Erfordernisse zum Erreichen der Klimaziele nicht ab und zwar weder personell noch finanziell. So gibt es nach wie vor nur eine große Plan- und Konzeptlosigkeit, wie denn der Ratsbeschluss, die städtischen Gebäude bis 2040 klimaneutral zu gestalten, umgesetzt werden soll.
  2. Der Ratsbeschluss, die Stadt werde alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Pariser Klimaziele zu erreichen, ist zur Makulatur verkommen. Überall wo klares Handeln erforderlich wäre, wie etwa bei einem stringenten Ausbau des Radwegenetzes oder der Schaffung CO2-neutraler Gewerbegebiete, spült die Siegener GroKo alles weich, frei nach dem Motto: so ernst war das mit dem Klimaschutz ja nun auch nicht gemeint.
  3. Über 5 Millionen Euro in einen Kreisel Schleifmühlchen zu stecken, dessen Neubau nachweislich kaum verkehrliche Verbesserungen bringt und zudem einseitig den motorisierten Individualverkehr gegenüber Fußgänger*innen und Radfahrende bevorzugt, ist nicht nur verkehrspolitisch ein Armutszeugnis, nein, er zeigt auch, dass die Stadt finanzpolitisch völlig falsche Prioritäten setzt.
  4. Es fehlen im Haushalt klare und erkennbare Finanzierungsansätze für Ratsentscheidungen, die bislang nicht umgesetzt sind, z.B.  für die Schaffung von attraktiven Wanderwegen sowie der verabredeten Uferwege entlang von Sieg, Weiß usw.

Die Aufzählung wäre erweiterbar: ein Blick in die lange Liste nicht ausgeführter Beschlüsse zeigt, wo in dieser Stadt der Schuh drückt.

Grundsätzlich liegt dem Haushalt keine stadtentwicklungspolitische Philosophie zu Grunde. Man will etwas Klima, etwas Tourismus, etwas mehr für die Straßen, etwas mehr prüfen, untersuchen und eigentlich auf die lange Bank schieben.

Wir GRÜNE wollen eine klare Orientierung an den Zielen, die aus dem Pariser Klimaschutzabkommen abzuleiten sind: Klare Priorität für E-Mobilität und Fahrrad, klare Forderung nach Elektro-Bussen und einer Verkehrsinfrastruktur, die die Innenstadt stark verkehrsberuhigt und in einzelnen Bereichen verkehrsfrei entwickelt. Klares Bekenntnis für mehr Bürger*innen-Beteiligung, sei es projektbezogen oder auch auf den gesamten städtischen Haushalt orientiert.

Die Vision, wie denn Siegen in den nächsten 5-10 Jahren weiterentwickelt werden soll, fehlt diesem Haushalt vollständig!

 

Meine Damen und Herren,

allen Parteien fällt es schwer, unter den Pandemiebedingungen die notwendigen politischen Entscheidungen sachgerecht zu treffen. Sitzungen fallen aus, gewohnte Formate werden durch digitale Treffen abgelöst und eine wirkliche Debatten- und Entscheidungskultur erschwert.

Und ehrlich gesagt, die Abwägung, was in diesen Zeiten das Richtige und Angemessene zur Pandemiebekämpfung ist, ist alles andere als einfach. Dennoch bemühen sich die Allermeisten nach Kräften, diese Zeit solidarisch durchzustehen:  die Bürger*innen, die Verwaltung und die Parteien.

Und trotzdem sind wir GRÜNE unzufrieden! Was am Anfang der Pandemie gut war, nämlich klare Regeln, die für alle gelten, wurde inzwischen bundesweit in einer unsäglichen Art und Weise zerbröselt, so dass kaum noch jemand die gerade gültigen Regelungen des Bundeslandes, in dem er lebt, kennt. Ein Kommunikationsdesaster! Und ein Armutszeugnis für die politisch Verantwortlichen. Gerade NRW spielt hier eine unrühmliche Rolle. Nichts, was in den Kanzlerrunden noch einmütig beschlossen wird, kommt unter Armin Laschet als konkrete Politik im Land NRW und in den Kommunen an. Verwässern, neu regeln, verunsichern, so könnte man die derzeitige NRW-Politik überschreiben. Wie gesagt, ein Desaster für eine wirksame Bekämpfung der Pandemie und auch für die Glaubwürdigkeit und Nachvollziehbarkeit der Politik.

 

Meine Damen und Herren, es ist nicht einfach, gut abzuwägen und das Richtige zu tun. Populistische Debatten sind in einer Pandemie alles andere als zielführend. Die hohen Inzidenzwerte in unserem Kreis zeigen, dass aktuell noch einiges an Geduld in der Lockerungsdebatte nötig ist. 

 

Aber unabhängig von der Corona-Pandemie dürfen wir die eigentliche Katastrophe, den von Menschen verursachten Klima-Wandel, nicht aus den Augen verlieren! Wir müssen unser politisches Handeln entsprechend ausrichten. Das muss sich auch im Haushalt 2021 der Stadt Siegen wiederfinden. Wir können dem Haushalt in der vorliegenden Fassung nicht zustimmen. Nur wenn die von uns heute vorgelegten Anträge zum Haushalt, Stellenplan und Gewerbegebiet Martinshardt - wider Erwarten - eine Mehrheit finden, würden wir ihn trotz großer Bedenken mittragen.

 

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Für die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN
im Rat der Universitätsstadt Siegen

Michael Groß
Fraktionsvorsitzender



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