Konzept Housing First für Siegen

Gemeinsamer Antrag gemäß §9 der Geschäftsordnung des Rates der Universitätsstadt Siegen zur Sitzung des Ausschusses für Soziales, Familien und Senioren am 16.11.2022

Sehr geehrte Frau Schneider,
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, GfS, FDP, Linke und Volt im Rat der Stadt Siegen bitten darum, folgenden Antrag zur Tagesordnung der o.g. Sitzung zuzulassen.

Beschlussvorschlag:
Der Sozialausschuss empfiehlt, der Rat beschließt:

  1. Das Siegener System der Wohnungslosenhilfe wird um das Konzept Housing First ergänzt.
  2. Die Verwaltung wird aufgefordert, ein Umsetzungskonzept Housing First zu entwickeln, welches auf bereits bestehende Ansätze abgestimmt ist und diese sinnvoll ergänzt. Das Konzept wird den politischen Gremien zum Ende des zweiten Quartals 2023 zur Beschlussfassung vorgelegt.
  3. Wohnungen, die sich im Besitz der Stadt Siegen oder der KEG befinden, werden im Rahmen von Housing First vermietet, eine ausgewogene Verteilung entsprechender Wohnungen über das gesamte Stadtgebiet ist zu gewährleisten. 
  4. Die KEG wird aufgefordert, Wohnraum für das Konzept Housing First zu schaffen und dafür auf den Nachweis eines Schufa-Eintrages zu verzichten.
  5. Die Verwaltung wird aufgefordert, die Betreuung im Rahmen von Housing First mit städtischem Personal oder über lokale Träger sicherzustellen. Das eingesetzte Personal soll dabei mit dem Konzept Housing First vertraut sein.
  6. Als Sofortmaßnahme stellen sowohl die Stadt Siegen als auch die KEG jeweils mindestens zwei Wohnungen für den Ansatz Housing First bereit. Auf die Schufa-Auskunft wird verzichtet. Die Bewohner*innen sollen auf eine soziale Betreuung zugreifen können. Die Verwaltung tritt hierfür mit sozialen Trägern in Kontakt. Für die Sofortmaßnahme findet nach einem Jahr eine Evaluierung durch Verwaltung, die KEG und der Betreuer*innen statt; die Ergebnisse der Evaluierung werden dem Ausschuss für Soziales, Familien und Senioren vorgestellt.
  7. Die Verwaltung prüft Möglichkeiten zur finanziellen Förderung des Konzeptes (etwa durch den LWL) und beantragt diese.

Begründung:
Viele Menschen in Siegen, die ihren Lebensmittelpunkt auf der Straße haben, sind nur unzureichend an das Hilfesystem angebunden. Die von multiplen Problemlagen Betroffenen lassen sich häufig nur durch intensive Beziehungsarbeit auf Unterstützung zum selbstständigen Wohnen ein. Denn aktuell müssen Betroffene zunächst ihre „Wohnfähigkeit“ unter Beweis stellen: Unterkünfte und Trainingswohnungen müssen durchlaufen werden. Oftmals ist der Wohnraum an für die Betroffenen schwer zu erfüllende Auflagen, wie z.B. Abstinenz, gekoppelt. Der Aufstieg in ein reguläres Mietverhältnis scheitert indes häufig an den Anforderungen des privaten Wohnungsmarkts. Zeitliche Befristungen in bestehenden Wohnraumprojekten bedrohen von Anfang an den Erfolg, die Angst vor der erneuten Wohnungslosigkeit wirkt als selbsterfüllende Prophezeiung. Ein sogenannter „Drehtür-Effekt“ stellt sich ein.

Housing First verfolgt den Ansatz, Wohnungslosigkeit unmittelbar zu beenden, indem wohnungslosen Menschen eine eigene Wohnung angeboten wird: Ohne Vorbedingungen wird ein Mietvertrag mit allen Rechten und Pflichten geschlossen. Um die Wohnung langfristig zu halten, werden wohnbegleitende Hilfen aktiv angeboten: Betroffene werden dazu ermutigt, Probleme mit Unterstützung anzugehen, regelmäßige Besuchstermine werden durch weitergehende persönliche Hilfen ergänzt. Housing First setzt auf das praktische Wiedererlernen von autonomer Lebensführung in der eigenen Wohnung. Diese dient dabei als Schutzraum und Quelle eines Sicherheitsgefühls. Housing First ergänzt die bestehenden Angebote der Wohnungslosenhilfe. Dort wo Housing First bereits praktiziert wird, sind die Ergebnisse überzeugend. Das Konzept Housing First schafft neue Wege für Menschen, die Veränderung wollen und bereit sind, Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen.

Unser Ziel ist es, Menschen Wohnraum zu geben, sie zu befähigen, zu fordern, zu unterstützen und individuell zu begleiten. Das ist unsere Chance, ein gesellschaftliches Problem zu lösen. Denn jeder Mensch verdient Menschenliebe, Respekt und individuelles Glück.

Durch den LWL wurde unlängst ein Förderprogramm zu Housing First aufgelegt (https://www.lwl-inklusionsamt-soziale-teilhabe.de/de/informationen-fur-fachleute/housing-first/).
Die Verwaltung wird aufgefordert, diese Fördermöglichkeit zu nutzen.

Mit freundlichen Grüßen
gez. Samuel Wittenburg, Fraktionsvorsitzender Volt
gez. Michael Groß, Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen
gez. Christian Sondermann, Fraktionsvorsitzender GfS
gez. Klaus Volker Walter, Fraktionsvorsitzender FDP
gez. Henning Klein, Fraktionsvorsitzender Die LINKE

 

 

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