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Siegen, 21.11.2008
Anfrage zur Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses der Stadt Siegen am 26.11.2008
Scientology auf dem Weihnachtsmarkt?
In der Siegener Zeitung vom 18.10.2008 suchte die Firma L. Bodrik KG Mitarbeiter/innen für einen Stand auf dem Siegener Weihnachtsmarkt. Nach einschlägigen Presseberichten (siehe Anlage) besteht der Verdacht, dass die Firma bzw. der Firmeninhaber in Verbindung mit der Scientology Sekte steht.
In diesem Zusammenhang fragen wir:
Anlage Presseberichte
Antwort der Verwaltung, Herr Kühn:
Frage 1: Welchen Stand mit welchem Warenangebot hat die Firma auf dem Siegener Weihnachtsmarkt
auf dem Hof des Unteren Schlosses?
Antwort:Es handelt sich um einen kleinen Stand mit dem Verkauf von Handpuppen der Marke Kumquats.
Frage 2:Seit wie vielen Jahren ist die Firma auf dem Siegener Weihnachtsmarkt mit einem Stand vertreten?
Antwort: Diese Puppen werden seit ca. 10 Jahren über die Fa. Ludwig Bodrik KG auf dem Siegener Weihnachtsmarkt verkauft.
Frage 3:Sind der Verwaltung die Presseberichte hinsichtlich der Verbindung der Firma zu Scientology
bekannt?
Antwort: Den seit Anfang November in der Verwaltung vorliegenden Informationen bezüglich des möglichen
Scientology – Hintergrundes der Firma L. Bodrik KG wurde selbstverständlich nachgegangen.
Zu diesem Zeitpunkt war der Vertrag zwischen der Fa. Koenitz und der Fa. Bodrik bezüglich der Verkaufsaktivitäten auf dem Siegener Weihnachtsmarkt 2008 bereits unterzeichnet. Die Fa. Koenitz hat schriftlich dargelegt, dass aus rechtlichen Gründen keine Möglichkeit besteht, den Vertrag einseitig aufzulösen.
Nach der Verwaltung vorliegenden Informationen muss davon ausgegangen werden, dass der Inhaber der Firma enge Verbindungen zu Scientology hat. Die Fa. Bodrik selbst hat schriftlich versichert, dass sie weder rechtlich noch organisatorisch an Scientology gebunden ist; Verkaufserlöse und Kundeninformationen würden nicht an Scientology
weitergeleitet.
Frage 4: Wie wertet die Verwaltung diese Zusammenhänge und die Presseberichte?
Antwort: Nach den bisherigen Recherchen gibt es keine gesicherten Erkenntnisse darüber, dass auf dem Siegener Weihnachtsmarkt oder einem anderen, der von der Firma Bodrik bestückt wird, aktive und unmittelbare Werbung für die Scientology-Sekte betrieben wird.
Tatsache ist, dass in den vergangenen Jahren keine Beschwerden über Werbetätigkeiten der Fa. Bodrik mit dem Hintergrund der Scientology-Sekte bekannt geworden sind. Dies lässt jedoch keine Rückschlüsse über etwaige Werbeaktivitäten zu, da diese unter Umständen für Betroffene nicht offensichtlich sind.
Frage 5: Ist aus Sicht der Verwaltung die Teilnahme von Unternehmen am Siegener Weihnachtsmarkt statthaft oder erwünscht, die der Scientology Sekte nahe stehen?
Antwort: Die Teilnahme von Unternehmen, die der Scientology-Sekte zuarbeiten, ist nicht erwünscht. Problematisch ist im vorliegenden Fall eine schlüssige Beweisführung, da die reine Verkaufsaktivität der Fa. Bodrik keinen direkten Zusammenhang mit Scientology erkennen lässt.
Frage 6: Welche Möglichkeiten sieht die Verwaltung aktuell und für die Zukunft Anbieter auszuschließen, die eine Nähe zu einer solchen Gruppierung haben oder sogar Bestandteil der Scientology Sekte sind? Wie sieht die rechtliche Situation aus?
Antwort: Im Falle der Fa. Bodrik hat die Stadt Siegen nach rechtlicher Prüfung in diesem Jahr keine realistische
Möglichkeit den Verkaufsstand zivilrechtlich oder öffentlich-rechtlich zu verhindern. Die Firma hat keinen Vertrag mit der Stadt Siegen. Es besteht ein Nutzungsvertrag mit dem Veranstalter.
Die Fa. Koenitz hat nach bekannt werden der Verdachtstatbestände mit der Fa. Bodrik dahingehend verhandelt, den Nutzungsvertrag im gegenseitigen Einvernehmen aufzuheben und die Standmiete zu erstatten. Die Fa. Bodrik hat dieses Angebot abgelehnt und ein Schreiben vorgelegt, das inhaltlich jegliche Zusammenhänge mit der Scientology Sekte bestreitet.
Die Möglichkeit einer fristlosen Kündigung des Nutzungsvertrages mit der Begründung der widerrechtlichen
Durchführung von Werbeaktivitäten für Scientology erfordert eine schlüssige Beweisführung. Die Verkaufsaktivitäten der Fa. Bodrik werden in diesem Jahr von allen involvierten Stellen kritisch beobachtet.
Der Veranstalter muss künftig noch sensibler mit Standbewerbern umgehen und im Vorfeld der Unterzeichnung des Nutzungsvertrages mögliche Sektenverbindungen überprüfen und ausschließen. Es ist zu prüfen, ob ein diesbezügliches Sonderkündigungsrecht in die neuen Nutzungsverträge eingearbeitet werden kann.
Frage 7: Hat die Verwaltung auf die Erfahrungen anderer Kommunen (z. B. Bochum) und des Sektenbeauftragten
der ev. Kirche zurückgegriffen um sich ein Bild über die genannte Firma zu machen bzw. um ein Verbot der Teilnahme an dem Siegener Weihnachtsmarkt vorzubereiten?
Antwort: Es wurden zahlreiche Informationen (Internet-Recherche, Sekten-Beauftragter des Kirchenkreises, weitere Sektenexperten etc.) zusammengetragen und abschließend einer rechtlichen Prüfung unterzogen. Die Firma Bodrik hat auf einer Vielzahl von Weihnachtsmärkten in der ganzen Bundesrepublik vergleichbare Stände.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt hat die Stadt Siegen keine realistische Möglichkeit, den Verkaufsstand zivilrechtlich oder öffentlich-rechtlich zu verhindern. Auf die zivilrechtliche Situation wurde bei Frage 6 eingegangen. Ein öffentlich-rechtliches Einschreiten gegen die Betreibung des Verkaufsstandes könnte nur bei überwiegenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung in Betracht kommen, also insbesondere im Falle des Verstoßen gegen strafrechtliche Vorschriften oder bei massiven Störungen des Geschehens auf dem Weihnachtsmarkt infolge
Niederschrift von nachgewiesener Werbetätigkeit für Scientology. Ein Verstoß gegen strafrechtliche Vorschriften ist nicht erkennbar. Bei der Scientology-Church handelt es sich um eine sektenähnliche Organisation, die nicht verboten ist. Das öffentlich-rechtliche Einschreiten wäre nach summarischer Prüfung mangels rechtlicher Grundlage rechtswidrig und je nach Sachverhaltsbeurteilung als Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot zu werten. Hieraus können Schadensersatzansprüche aus § 839 BGB / Art. 34 GG wegen fahrlässiger Dienstpflichtverletzung resultieren. Ebenso können Entschädigungsansprüche gemäß § 39 Ordnungsbehördengesetz
ausgelöst werden. Für letztere Ansprüche wäre kein Versicherungsschutz für die Stadt vorhanden.
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