Haushaltsrede zum Haushalt 2023

Sehr geehrte Damen und Herren,

nach der Corona-Pandemie verlangt nun seit einem Jahr der russische Angriffskrieg auf die Ukraine den Menschen in Europa viel ab. Wer hätte sich vorstellen können, dass es in Europa einen Krieg solchen Ausmaßes gibt, mit abertausenden Toten, mit unbeschreiblichem Leid und Elend, dem vor allem die ganz normale Bevölkerung ausgesetzt ist. Aber es gibt Lichtblicke: auch in unserer Stadt formten sich zahllose Initiativen, die helfen und unterstützen, mit Sachgütern oder Geld, um das Leid der Menschen in der Ukraine zu lindern. Ein gutes Zeichen der Solidarität! Danke für diesen unermüdlichen Einsatz!

Wir dürfen trotz des Krieges und anderer Katastrophen nicht vergessen, dass wir nach wie vor als gesamte Menschheit existentiellen Bedrohungen ausgesetzt sind. Wir stecken in der größten Klimakrise der Geschichte und der Zeitkorridor, hier wirksam entgegenzusteuern, wird immer schmaler. Und wir müssen feststellen: Städte und Gemeinden haben es schwer, aus den unbestreitbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen wirklich wirksames Handeln abzuleiten und umzusetzen. Gute Beispiele aus Siegen sind an dieser Stelle der absehbare Bau der vier Windkraftanlagen an der Kreuzeiche und die Umstellung der Straßenbeleuchtung mit Stromeinsparungen bis zu 50%. Trotzdem ist hier allzu oft reine Symbolpolitik zu beobachten. Das Stadtfest 2022 war ohne Zweifel ein Erfolg und die tatsächlichen Bemühungen, Müll und CO2 einzusparen, begrüßen wir ausdrücklich. Aber es erschließt sich uns überhaupt nicht, warum die Verwaltung, trotz unserer deutlichen Kritik, auf der Bezeichnung „klimaneutrales Stadtfest“ bestand und auch noch behauptete, es sei das erste klimaneutrale Stadtfest in Deutschland. Und das, obwohl selbst die Kulturamtsleiterin einräumen musste: „die Klimaneutralität wird nicht erreicht“. Trotzdem führte man die Leute hinter die Fichte und erklärte, die Klimaneutralität werde durch Ausgleichzahlungen angestrebt. „Dann ist ja alles gut“, so die Botschaft, „wir können genau so weitermachen wie bisher.“

Das ist eine Mogelpackung und Greenwashing in seiner reinsten Form!

Meine Damen und Herren, auch mit der städtischen Personalpolitik sind wir nach wie vor nicht einverstanden. Es dauert immer noch viel zu lange bis freigewordene oder vom Rat beschlossene Stellen ausgeschrieben werden. Bis zu einem halben Jahr! So steigt der Druck auf die Beschäftigten unserer Stadt, da die notwendigen Aufgaben kaum zu bewältigen sind. Die Folge: die Unzufriedenheit wächst und das nicht nur bei den Beschäftigten, sondern auch in der Bevölkerung.

Aber auch etwas Anderes ärgert uns: so heißt es bei neuen Stellen, die wir zur Verbesserung der Situation vorschlagen, dass man das erst gar nicht beschließen solle, da es ja eh keine Bewerber:innen gäbe. Natürlich wissen auch wir, dass es aktuell schwer ist, neue Mitarbeiter:innen zu finden, aber die Stellen nicht zu beschließen und gar nicht erst zu suchen? Das ist eine völlig absurde und falsche Konsequenz! Wie sehr mit zweierlei Maß gemessen wird zeigt uns dann der Stellenplan der Verwaltung. Bei den Mehrstellen, die hier vorgeschlagen werden, zählen solche Argumente nicht. Oder erinnert sich jemand, dass bei den zehn Mehrstellen im Bereich des Bunkermuseums solche Überlegungen eine Rolle gespielt hätten?

Also lassen Sie uns künftig sachgerechter entscheiden: Wo Mehrstellen nötig sind, müssen diese auch beschlossen werden, auch wenn die Besetzung schwierig wird.

Ein kurzer Kommentar zur derzeit viel debattierten Situation der Siegener Schulen: Wir befinden uns bei der Gestaltung der zukünftigen Schullandschaft in unserer Stadt auf einem guten Weg. Mit dem Start der vierten Gesamtschule zum neuen Schuljahr haben wir mit großer Ratsmehrheit einen Meilenstein gelegt. Endlich haben die Abweisungen von bis zu 100 Kindern ein Ende, die in den vergangenen Jahren nicht die gewünschte Schulform besuchen konnten. Das diesjährige Anmeldeverfahren hat wieder einmal gezeigt: Unsere Eltern wollen Schulvielfalt – und zwar unter einem Dach!

Auf einem schlechten Weg befinden wir uns jedoch aktuell mit Blick auf die Raumsituation an unseren Grundschulen. Die Raumnot zwingt Schulleitungen und Kollegien häufig zum Improvisieren, vor allem im OGS-Bereich wird die Lage immer prekärer. Die Nachfrage an Grundschulplätzen dürfte in den kommenden Jahren sogar noch steigen – Handlungsbedarf ist daher dringend geboten! An der Jung-Stilling-Schule steht die erste bauliche Erweiterung einer Grundschule kurz vor ihrer Fertigstellung. Auch an der Albert-Schweitzer-Schule wurde mit zusätzlichen Containern Abhilfe geschaffen. Der vom Rat beschlossene Ausbau von Diesterweg- und Spandauer Schule verzögert sich leider mit jedem Jahr und auch weitere Schulen müssen dringend in den Blick genommen werden. Hier dürfen wir nun keine Zeit mehr verlieren!

Meine Damen und Herren,

auch in diesem Jahr hat sich unser Haushaltsbündnis von UWG, GFS, FDP, LINKEN, Volt und uns GRÜNEN mit dem Kooperationsbündnis CDU und SPD zusammengesetzt, um einen gemeinsamen Vorschlag zum Haushalt zu erarbeiten. Das, was im vergangenen Jahr noch eine wirklich schwere Geburt war, hat in diesem Jahr sehr viel sachlicher und reibungsloser funktioniert. So können wir feststellen, dass sich alle beteiligten Parteien mit großem Einsatz und sehr detailliert eingebracht haben. Dabei war es erforderlich, dass auch wir schmerzhafte Kompromisse eingehen mussten. Im Sinne des großen Ganzen ist das aber manchmal notwendig.

Dabei gibt es aber neben einer politischen Einigung von acht Fraktionen ein Problem, das jede politische Einigung gefährdet: nach wie vor werden politische Entscheidungen zu oft von der Verwaltung nicht umgesetzt.

Aus GRÜNER Sicht sind hier vor allem die Klimabeschlüsse aus 2019/2020 zu nennen. Insbesondere auf dem Weg zum klimaneutralen Gebäudebestand 2040 fehlt Zielstrebigkeit und wir hinken schon jetzt Jahre hinterher. Ein weiterer Rückschlag sind an dieser Stelle die geplanten Containerbauten, die ausschließlich elektrisch geheizt werden sollen. Eine Beteiligung politischer Gremien wurde hier sorgfältig vermieden.

Die Gründe, warum etwas nicht umgesetzt wird, sind manchmal verständlich, manchmal aber völlig unklar und in einigen Fällen fehlt es schlicht am Willen, politische Entscheidungen umzusetzen. Dieses Verhalten gefährdet im Ergebnis eine gute Zusammenarbeit zwischen Politik und Verwaltung. In den letzten Monaten haben wir jedoch den Eindruck, dass sich alle Beteiligten mehr bemühen, hier Veränderungen herbeizuführen. Deshalb wollen wir optimistisch ins neue Jahr gehen und so hoffen wir, dass unsere gemeinsamen Vorschläge zum Haushalt auch tatsächlich realisiert werden.

Trotz der Kompromisse: die demokratischen Fraktionen im Rat der Stadt Siegen haben mit ihren gemeinsamen Anträgen zum Haushalt und zum Stellenplan ein großes Bündel an Richtungsentscheidungen, Projekten und Weichenstellungen geschnürt. Sie bringen unsere Stadt ein großes Stück weiter. Ich möchte fünf Punkte benennen, die für uns GRÜNE von besonderer Relevanz sind:

  1. Für die energetische Sanierung städtischer Gebäude, und somit dem Ziel Klimaneutralität, sollen in den nächsten Jahren 500.000 Euro zusätzlich zur Verfügung stehen. Ein zentraler Punkt, denn hier hat die Stadt eine Mammutaufgabe vor sich. Weitere 250.000 Euro sollen für Photovoltaik-Anlagen bereitgestellt werden. Auch hier muss die Stadt entschiedenen Schrittes vorangehen, um den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zu erreichen.
  2. Es zeichnet sich ab, dass sich bezüglich des Radverkehrs in unserer Stadt in den nächsten Jahren einiges tun wird. Gut so! Schon jetzt nutzen viele tausend Menschen in Siegen jeden Tag das Rad und bestimmen die Mobilitätsarten der Zukunft. Somit ist jeder Euro, der in den Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur investiert wird, ein Euro für die Umwelt und für die Bürger:innen unserer Stadt. Aber wer Rad fährt, möchte das Rad auch sicher abstellen und abschließen können. Der Bedarf wird erheblich steigen. Deshalb freuen wir uns sehr, wenn im Jahr 2023 zusätzliche Mittel für Fahrradabstellanlagen an öffentlichen Gebäuden verausgabt werden können.
  3. Obwohl inklusives Lernen an Schulen längst das gängige Konzept ist, sind Kinder, Lehrkräfte und Eltern an Siegener Grundschulen oftmals mit Barrieren konfrontiert. Nachdem in den vergangenen Jahren der barrierearme Ausbau an weiterführenden Schulen vorangetrieben wurde, müssen nun dringend Grundschulen nachziehen. Um den Kindern auch dort eine gleichberechtigte Teilhabe ermöglichen zu können, soll an drei Schulen über das Stadtgebiet verteilt mit dem barrierearmen Ausbau begonnen werden. Wir möchten, dass Familien die Sicherheit haben, ihre Kinder – egal ob mit Einschränkung oder nicht – an einer Grundschule in ihrer Nähe anmelden zu können.
  4. Wer ein Recht auf den Bezug von Wohngeld hat, soll in Zukunft nicht mehr länger als sechs Wochen auf die Bearbeitung des Wohngeldantrags warten müssen! Für mehr soziale Gerechtigkeit beabsichtigt der Haushaltsantrag fünf Mehrstellen, zusätzlich zu den von der Verwaltung eingeplanten Mehrstellen, die unbedingt notwendig sind, um die aktuelle Wohngeldreform angemessen umsetzen zu können. 5. Und zuletzt möchte ich noch das Modellprojekt zur Ausstattung der Müllbehälter in der Innenstadt mit Pfandringen und Aschenbechern benennen. Vielleicht ist es auf den ersten Blick eine Kleinigkeit. Diese Kleinigkeit macht aber für einzelne Menschen einen großen Unterschied, wenn diesen das unwürdige Suchen von Pfandflaschen in Mülleimern erspart bleibt. Nebenbei erhoffen wir uns auch einen positiven Effekt für die Umwelt. Einen Schritt zu mehr Recycling und einer lebenswerteren Stadt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

mit dem Gesamtantragspaket sind wir GRÜNE sehr zufrieden. Hoffen wir, dass es uns gelingt, die angedachten Projekte umzusetzen, und dass es in Siegen weiterhin, über Parteigrenzen hinweg, konstruktive und am Wohle der Menschen orientierte Diskussionen und Entscheidungen gibt.

Herzlichen Dank
Für die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN 
im Rat der Universitätsstadt Siegen 

Julia Shirley
Stadtverordnete



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