Haushaltsrede zum Haushalt 2018

gehalten von Joachim Boller
am 20.12.2017

Meine Damen und Herren,

der Haushalts-Entwurf der Verwaltung hat trotz der Finanzkrise der meisten Kommunen und auch unserer Stadt zumindest etwas Positives: er kalkuliert aufgrund der aktuellen Entwicklung nicht mit neuen finanzpolitischen Katastrophen. Bei aller Vorsicht: wir haben eine gute Chance, die Vorgaben des Haushaltssicherungskonzeptes und damit den strukturellen Haushaltsausgleich 2022 wirklich zu realisieren. Und, meine Damen und Herren: das müssen und wollen wir auch!

Trotz schwierigster Rahmenbedingungen ist es in den vergangenen Jahren, auch dank umsichtiger Nutzung von Fördermitteln, gelungen, unsere Stadt in vielen Bereichen weiterzuentwickeln und Begonnenes endlich zu vollenden. Der Park des Oberen Schloss wird nach dem Abriss der alten Jugendherberge neu gestaltet. Das gleiche gilt für die Fißmeranlage, wo aus unserer Sicht allerdings nicht nur eine behutsame Umgestaltung, sondern auch eine Umbenennung der Anlage ansteht. Wir halten es für absolut unpassend, eine der zentralen Grünanlagen unserer Stadt ausgerechnet nach einem Menschen zu benennen, der Mitglied der NSDAP und Fördermitglied der SS war.
Ein weiteres Uraltprojekt unserer Fraktion ist umgesetzt: Die Uni ist im Unteren Schloss angekommen. Auch wenn noch viel zu tun ist und noch viel geschehen muss: Diese Maßnahme wird unserer Stadt gut tun. Bereits jetzt sind die positiven Veränderungen gerade in der Oberstadt zu erkennen: Der Leerstand hat spürbar abgenommen, Gastronomiebetriebe werden eröffnet und das Leben in der Innenstadt, aber auch im Schlosspark hat zugenommen.
Nach über 20 jährigem Engagement unserer Fraktion ist die Siegplatte endlich weg und Siegen zu neuen Ufern entstanden: ein Meilenstein der Innenstadtgestaltung. Und auch der Herrengarten wird sicher in einigen Jahren zum Park werden - ein weiterer Schritt, die Innenstadt attraktiver zu machen.

Mit der Schaffung der dritten Gesamtschule haben wir den riesigen Bedarf nach jahrzehntelangem Bemühen endlich decken können. Auch unser Eintreten für den Erhalt der Grundschulstandorte war sehr erfolgreich. Die Kindergartengebühren sind in unserer Stadt die niedrigsten in Nordrhein-Westfalen und bei der kostenfreien Essensversorgung in Kitas und Schulen für Kinder aus einkommensschwachen Familien sind wir weit vorne. In einem ganz wichtigen und schwierigen Aufgabenfeld gibt es zumindest Lichtblicke: für den öffentlich geförderten Wohnungsbau hat die Stadt Siegen nun drei Bauflächen vorgesehen. Zudem baut unsere stadteigene KEG gerade ein Studierendenwohnheim an der Flurenwende. Eine Ausweitung der Aktivitäten der KEG in diesem Bereich haben wir gerade beschlossen.

Zur Förderung des Klimaschutzes hat Siegen, anders als viele andere Städte, ein Klimaschutzkonzept und einen Klimaschutzbeauftragten. In Kürze gibt es weitere 12 Elektro-PKW in der Stadtverwaltung. Wir erwarten in diesem Jahr die Vorlage des „Klimaschutzteilkonzepts Mobilität“. Wir sind optimistisch, dass es sich nicht nur im Namen, sondern auch inhaltlich von dem alten Generalverkehrsplan unterscheiden wird.
Beim Einsatz von Recyclingpapier liegen wir im Vergleich ganz vorne. Nachdem unsere Stadt 2016 zur Recyclingpapier-freundlichsten Stadt Deutschlands gekürt wurde, konnte dieser hervorragende Standard auch 2017 gehalten werden: 100 % Recyclingpapier – übrigens auch ein grüner Antrag, der diese Entwicklung vor vielen Jahren angestoßen hat.
Aber auch hier gibt es noch viel zu tun: Es wäre schön, wenn sich die städtischen Beteiligungen wie Sparkasse und SVB diesem Beispiel anschließen würden.

In Sachen Tierschutz haben wir ebenfalls Wichtiges angestoßen: So werden in Siegen auf öffentlichen Plätzen und in Hallen und Bürgerhäusern keine exotischen Tiere mehr ausgestellt. Dem sollten sich viele Städte und auch unser Kreis Siegen-Wittgenstein zügig anschließen, damit sich das Geschäft mit der Tierquälerei nicht mehr lohnt.

Beim Weihnachtsmarkt 2017 ist unserer Stadt sicher ein großer Wurf gelungen. Nach jahrelangem Improvisieren und wachsender Unzufriedenheit haben wir in diesem Jahr die Rahmenbedingungen für einen guten Weihnachtsmarkt geschaffen, der wieder da ist, wo er hingehört – auf den Unteren Schlossplatz. Wir haben einen engagierten und kreativen Betreiber gefunden und mit dem Beleuchtungskonzept eine wirklich schöne Atmosphäre ermöglicht. Die Rückmeldungen aus der Bevölkerung sind jedenfalls sehr positiv. Jedoch, wenn etwas besonders gut gelingt, ist die Ansicht darüber, wer das Gute denn nun auf den Weg gebracht hat, schon mal unterschiedlich. Dabei gibt es nur wenige Projekte in dieser Stadt, bei denen der Erfolg wirklich so viele Väter und Mütter hat wie unser neuer Weihnachtsmarkt. Es war letztlich ein Gemeinschaftsprojekt aller Fraktionen, die im AK Weihnachtsmarkt kompetent und engagiert mit der Verwaltung zusammengearbeitet und entschieden haben. Dafür nochmals herzlichen Dank.

Ausdrücklich danken wollen wir auch in diesem Jahr unseren Koalitionspartnern von CDU und FDP. Die Zusammenarbeit ist gut, effektiv und fair. Eine hoffnungsvolle Grundlage für die nächsten drei Jahre!

Aber bei allem Positiven: Wir haben keinen Grund, uns selbstzufrieden zurückzulehnen. Aus grüner Sicht gibt es auch für die nächsten Jahre erheblichen Handlungsbedarf.
So müssen wir dringend unseren kommunalen Beitrag zur Armutsbekämpfung ausbauen. Wir brauchen mehr kostengünstigen Wohnraum, das Sozialticket muss dauerhaft erhalten bleiben, wir brauchen Stabilität bei den günstigen Kita- und OGS-Tarifen und wir brauchen mehr Ideen zur Verbesserung der kulturellen Teilhabe von Menschen mit geringem Einkommen.
Im Bildungsbereich benötigen wir dringend mehr Räume für die Ganztagsgrundschulen. Wir wollen, dass niemand, der einen Ganztagsplatz für sein Kind benötigt, abgewiesen wird. Qualität misst sich nicht allein am Bildungsangebot selber sondern eben auch an den Rahmenbedingungen. Überfüllte Räume jedenfalls sind nirgendwo auf der Welt bildungsfördernd.

Und auch bei der Stadtentwicklung bleibt noch viel zu tun. Wir meinen: auch in den anderen Stadtteilen sollten wir mehr Anstrengungen unternehmen, um die Standorte attraktiver zu machen. Ein Beispiel: das Einkaufszentrum Weidenau. Eigentlich gibt es auch da einen schönen Fluss, aber keiner sieht ihn und kommt an ihn ran! Das wollen wir ändern. Oder in Geisweid: der Vollsortimenter muss jetzt endlich kommen. Und auch in Sachen Stadtgestaltung sehen wir gerade da noch erheblichen Nachholbedarf.

Beim Klimaschutz gilt: Trotz großer Anstrengungen spielt die Nutzung der Windkraft in Siegen nach wie vor keine Rolle. Aber wer den Atom- und Kohleausstieg wirklich will, muss auch kommunal mehr tun. Also werden wir uns vorrangig damit beschäftigen, was auch ohne langwierige Genehmigungsverfahren umzusetzen ist: Energieeinsparung, Nutzung der Sonnenenergie und Maßnahmen zur Förderung der Verkehrswende zum Beispiel.
In diesem Zusammenhang werden wir uns auch dafür einsetzen, das geplante Gewerbegebiet Martinshardt 2 zu einem ökologischen Vorzeigeprojekt zu entwickeln.
Auch über Maßnahmen, die zurzeit noch ungewöhnlich sind, sollten wir nachdenken. So steckt zum Beispiel im städtischen Biomüll ein energetisches Potential, dass deutlich mehr als 500.000 l Heizöl pro Jahr entspricht. Beim Umwelt- und Naturschutz müssen wir ebenfalls schnell handeln: das Bienen- und Insektensterben ist rasant gestiegen mit dramatischen Auswirkungen. Deshalb: Jede weitere Flächenversiegelung muss sorgfältig geprüft werden. Und wenn sie nicht vermeidbar ist, muss an anderer Stelle ein Ausgleich geschaffen werden. Auch die „Förderung der Artenvielfalt“, die jetzt schon als Ziel auf Recyclingpapier im HH steht, muss zur gelebten Praxis werden. Ein Einfaches ‚weiter so‘ darf es nicht geben.

Meine Damen und Herren, nun noch einige Worte zu unseren Anträgen zum Haushalt 2018:

  • Zum dem Grundsatzbeschluss, bei allen städtischen Gebäuden den Bau von Photovoltaikanlagen zum Eigenverbrauch zu prüfen und bei positiven Prüfergebnis zu realisieren > eine Vorlage des Kreises kam zu dem Ergebnis, dass bei der überwiegenden Anzahl der untersuchten Gebäude mit einer Amortisationszeit der Anlagen von 10 bis 12 Jahren zu rechnen ist. Und das bei einer zu erwartenden Lebensdauer von 20 bis 30 Jahren. Bei dieser Ausgangslage wäre es unverantwortlich, die Chancen, die sich hier sowohl für die Energiewende, als auch für den städtischen Haushalt bieten, nicht zu nutzen. Unser Entsorgungsbetrieb ESI geht hier schon mit gutem Beispiel voran. Die größte Siegener Photovoltaik-Anlage auf dem Klärwerk in der Rinsenau geht demnächst in Betrieb und wird einen Beitrag zur Stabilisierung der Abfallgebühren leisten.
  • Die bereits im Sozialausschuss diskutierte Haushaltsstelle „Förderung besonderer sozialer Maßnahmen“ wollen wir mit zusätzlich 20.000 Euro ab dem Jahr 2019 aufstocken. Diese Haushaltsstelle, die vor allem kleine und mittelgroße Initiativen im Jugend- und Sozialbereich unterstützt, ist seit gefühlt 20 Jahren unverändert geblieben. Hier wollen wir ein wertschätzendes Signal an all jene senden, die einen wichtigen Beitrag für das Funktionieren unseres Gemeinwesens leisten.
  • Ein weiteres Anliegen unserer Koalition, das ich ja bereits im Grundsatz angesprochen habe, ist die Beseitigung der gravierenden Raumprobleme an Grundschulen. Wir sind der Auffassung, dass zusätzliche Anstrengungen unternommen werden müssen, insbesondere in Siegen Mitte. Ich nenne hier beispielhaft die Diesterwegschule und die benachbarte Spandauer Schule. Wir wollen hier kurzfristig Maßnahmen entwickeln, damit künftig alle Kinder an der von ihnen gewünschten Schule auch ein Betreuungsangebot wahrnehmen können, das über eine gute räumliche Ausstattung verfügt. Insgesamt dürfen Wartelisten oder gar ein Aufnahmestopp nicht zur Realität der Ganztagsbetreuungsangebote an Siegener Schulen werden.
  • Beim Thema Erneuerung und Ergänzung von Stadtmobiliar liegt für uns der Schwerpunkt bei einem Sonderprogramm „100 Fahrradständer für Siegen“. Wie nötig das ist, sieht man am deutlichsten in der Oberstadt. Hier gibt es oberhalb von Karstadt ganze 4 brauchbare Fahrradständer, nämlich am Haupteingang des Rathauses. Viel zu wenig für Bücherei, VHS, die vielen Geschäfte und die lebendige Kneipenszene der Oberstadt.
  • Wir möchten eine Haushaltsstelle „Tourismus“ mit 100.000 Euro einrichten, damit unsere Stadt auch für Touristen interessanter wird. Verschiedene Maßnahmen sind angestoßen und neue werden hinzukommen. So ist es z.B. notwendig, unsere Stadt als Kommune mit Wanderpotential zu entwickeln – hierzu passt unser Antrag zum Premiumwanderweg – oder bestehende Anziehungspunkte wie den Tiergarten punktuell zu ergänzen. Vor diesem Hintergrund möchten wir dauerhaft eine solche Position im Haushalt verankern.

Nun noch ein paar Worte zur Form des Haushalts 2018:
Bei der Beratung des Haushaltsentwurfs 2017, der von vielen als kaum lesbar empfunden wurde, nahm die Diskussion über die Form der Darstellung breiten Raum ein. Wenn wir uns nun den Haushaltsentwurf 2018 ansehen, müssen wir feststellen: es ist besser geworden, aber es ist noch lange nicht gut. Weiterhin gibt es Stilblüten in der Art, dass die Ansätze für die Zuschüsse zum Nachtbus, zur Verbraucherberatung und zur GSS in einer Haushaltsstelle, d.h. in einer Zahl zusammengefasst werden. Hier handelt es sich ersichtlich um drei Sachverhalte, die nach dem gesunden Menschenverstand inhaltlich nicht das Geringste miteinander zu tun haben. Dadurch, dass die Verwaltung in einer Fußnote die Zahlen für 2018 aufschlüsselt, wird die Sache auch nicht viel besser. Die Entwicklung dieser Positionen über die Zeit ist nicht erkennbar.
Ein weiteres schwieriges Thema sind die im Haushaltsentwurf ausgewiesenen Kennzahlen und Ziele. Wir erkennen durchaus an, dass es hier in diesem Jahr erhebliche Verbesserungen gegeben hat. Aber weiterhin gibt es viel zu viele Produkte, bei denen alle oder wesentliche Kennzahlen fehlen und keine, falsche oder problematische Ziele angeführt sind. In diesem Bereich gibt es aus unserer Sicht für uns alle, d.h. Rat und Verwaltung, im Jahre 2018 noch viel zu tun.

Sehr geehrte Damen und Herren,
auch in diesem Jahr möchten wir uns bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung für die gute Arbeit bedanken. Wir wissen, dass viele von Ihnen bis an die Grenze Ihrer Leistungsfähigkeit oder sogar darüber hinaus belastet sind.
Der Zwang zum Sparen macht die Arbeit in vielen Bereichen nicht gerade einfach. Der schmale Grat zwischen haushaltsverträglichem Verhalten und auskömmlicher Personalausstattung bedarf der ständigen Kontrolle und ggfs. auch der kurzfristigen Korrektur. Vor diesem Hintergrund werden wir die Personalsituation auch unterjährig im Auge behalten.
Insgesamt werden wir dem Haushalt 2018 mit unseren Ergänzungsanträgen zustimmen. Er enthält eine Fülle positiver Entwicklungen mit der wir Bündnis-Grüne, unsere Jamaika-Koalition mit CDU und FDP, aber auch der gesamte Rat zufrieden sein können.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

Für die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN
im Rat der Universitätsstadt Siegen
Joachim Boller
Stellv. Fraktionsvorsitzender

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