Haushaltsrede zum Haushalt 2017

gehalten von Ansgar Cziba 
am 22.02.2017

Liebe Siegener_innen , liebe Ratskolleg_innen,

es sind schwierige Zeiten, in denen wir die Zukunft unserer Kommune gestalten. Da gibt es viele Kritiker_innen, die mit Anregungen helfen wollen. Das ist gut so. Aber es gibt sicher auch viele, denen es nicht darum geht, sachliche Lösungen für Probleme zu finden. Die sogenannten „Wutbürger“verlassen nur allzu oft den demokratischen Diskurs um das, was richtig und falsch ist. Nichts ist ihnen heilig und keine Behauptung ist ihnen zu billig, um Stimmung zu machen und Stimmungen zu erzeugen. Vielleicht haben wir das alle zu lange belächelt und nicht ernst genommen. Was soll man auch sagen gegen dreiste Lügen, die sich für aufgeklärte Normalbürger_innen doch einfach als solche entlarven lassen. Also sagt man allzu oft einfach nichts. Das Ergebnis: Viele Lügen und Halbwahrheiten bleiben unwidersprochen. Sie vergiften nicht nur das politische Klima. Sie sind ein frontaler Angriff auf Mitmenschlichkeit und Wahrhaftigkeit, auf das friedliche Zusammenleben unterschiedlichster Menschen und Charaktere. Dabei werden dann oft die Schwächsten diffamiert, geschichtliche Zusammenhänge geleugnet und Behauptungen ohne realen Hintergrund als Tatsachen dargestellt. Der demokratische Diskurs um den richtigen Weg ist dabei nicht mehr wichtig. Diese Entwicklung ist gefährlich. Sie hat viele Facetten und findet im Moment Anhänger_innen in der ganzen Welt. Gepaart mit einer Politik des „ich zuerst“ sind die Verlierer_innen klar ausgemacht: All diejenigen, die sich um eine sachliche und demokratische Diskussion bemühen, die für mehr Gerechtigkeit eintreten und diejenigen, die unsere solidarische Hilfe und Unterstützung brauchen.

Herr Bürgermeister, Sie haben in Ihrer Haushaltsrede dazu gesagt – ich zitiere: „Ich möchte uns alle ermutigen aufzustehen und selber Botschafter dafür zu werden, dass es sich lohnt gegen jede Form von Populismus und Radikalismus vorzugehen, dass es wichtig ist, sich über die Politik in seiner Stadt und seinem Land zu informieren, um nicht von Extremisten und Lügnern manipuliert zu werden.“

Hierfür, Herr Bürgermeister, haben Sie unsere uneingeschränkte Unterstützung! Und wir fügen hinzu: Wir werden auch in unserem Gemeinwesen aktiv sein, wenn die Vereinfacher, Lügnerinnen und Rassisten ihr Unwesen treiben.

Bevor ich auf Teile des Haushalts 2017 eingehe, möchte ich auf die vergangenen Monate zurückblicken. Wir haben vieles mit unserer Jamaika-Koalition angestoßen. Endlich wurde die so dringend nötige 3. Gesamtschule auf den erfolgreichen Weg gebracht. Der Abriss der alten Jugendherberge ist erfolgt und nun geht es an die Umgestaltung der Flächen im Rahmen eines Wettbewerbes. Ein Gutachten zur Landesgartenschau ist beauftragt und in diesem Jahr wird es um eine verbindliche Bewerbung gehen. Eine Neuorientierung des Weihnachtsmarktes haben wir parteiübergreifend angeschoben.
Auch die schwierigen Themen haben wir angepackt: So wurde mit dem Beschluss für ein neues, erweitertes Hallenbad in Weidenau endlich der Knoten für eine zukunftsfähige und wirtschaftliche Entwicklung der Bäderlandschaft durchgeschlagen, auch wenn dafür am Ende das Löhrtor-Bad geschlossen werden muss. Ein weiteres Highlight für unsere Stadt ist der Ankauf des Areals am Herrengarten. Hier haben wir eine hervorragende Handlungsoption für die weitere Attraktivierung unserer Innenstadt geschaffen, die wir in den nächsten Jahren auch nutzen werden.

Die lang zurückliegende Entscheidung für die Namensänderung in „Universitätsstadt Siegen“ zeichnet sich nunmehr auch im Stadtbild ab, dieser Prozess wird uns in den nächsten Jahren weiter intensiv begleiten.

Dabei drängen wir auf einen transparenten Entwicklungsprozess auf Augenhöhe mit der Universitätsleitung und wünschen uns eine angemessene Beteiligung der Bürger_innen. Wir plädieren für eine städtebaulich anspruchsvolle Gestaltung der dafür notwendigen Umbauten, Neubauten und der dazu gehörenden Freianlagen.Der Schwerpunkt unserer Politik ist die bewusste und nachhaltige Stadtentwicklung. Mit „Siegen - Zu neuen Ufern“ hat die Stadt Siegen nach langer Zeit erstmals wieder engagiert und zukunftsorientiert öffentliche Räume gestaltet und die Aufbruchsstimmung ist bei Bürger_innen und Investor_innen spürbar.

Auch in Zukunft liegen uns Grünen natürlich Plätze und Grünanlagen besonders am Herzen. Der Wettbewerb „Rund um den Siegberg“ bietet die Möglichkeit, den Mauerstadtcharakter der historischen Altstadt zu betonen und die Grünanlagen um die ehemalige Stadtmauer herum inklusive des Schlossparks für alle, insbesondere Familien, erlebbar zu machen.

Als weiteres Element öffentlicher Räume sind die Gewässer in der Stadt zu nennen. Die Öffnung und Begehbarkeit der Sieg hat die Innenstadt positiv verändert und die Anwohner_innen und Geschäftsleute profitieren jetzt schon davon. Eine Fortsetzung des Projektes ist mit der Umgestaltung des Herrengartens zu erwarten. Die Umsetzung der schon beschlossenen Erschließung der Ufer der Sieg abwärts Richtung Gericht und Hammerhütte geht nach unserer Meinung viel zu langsam voran. Eine Entwicklung der Ufer von Sieg und Ferndorf wünschen wir uns auch in Richtung Norden, an der Sieghütte entlang bis nach Weidenau und insbesondere im Bereich Bismarckhalle und Siegerlandzentrum. Hier liegt eine große Chance für Weidenau, vernachlässigte Stadträume nachhaltig aufzuwerten. Die Erlebbarkeit dieser Gewässer kann bei der Freiraumplanung zum neuen Hallenbad am Zusammenfluss von Ferndorf und Sieg gut ergänzt werden.

Als weiteren nachhaltigen Schritt für das Stadtbild setzen wir uns für die bewusste Gestaltung der Straßenräume ein mit ausreichenden Fuß- und Radwegen sowie sinnvoll angeordneten, begrünten Parkzonen. Die Stadt soll kein Großraumparkplatz sein sondern Aufenthaltsraum für alle Bürger_innen.

Unsere Pläne und Ziele beschränken sich aber nicht auf das Stadtzentrum. Für Geisweid arbeiten wir an der Stärkung des gewachsenen Geschäftszentrums durch die Ansiedlung des Vollsortimenters. Eine ideale Ergänzung wäre der Bau eines Discounters am entgegengesetzten Ende der Fußgängerzone, eine Ansiedlung außerhalb der Handelsbereiche wäre dagegen absolut kontraproduktiv.

Nach der positiven städtebaulichen Entwicklung in Eiserfeld möchten wir den Fokus nun flussabwärts nach Niederschelden richten, einen lange durch hohes Verkehrsaufkommen und HTS-Baustellen geplagten Stadtteil. Die historisch erhaltenen Bestände der „Schossi“ und des Inseldorfes bieten in Verbindung mit dem Siegradweg und dem Heimatmuseum städtebauliche und sogar touristische Anreize.

Für die dörflich geprägten Stadtteile sind auch weiterhin Mittel zur Erhaltung öffentlicher Räume und von Denkmälern erforderlich. An dieser Stelle möchten wir die konstruktive Arbeit der Heimatvereine und der runden Tische wie z. B. in Eiserfeld lobend erwähnen, die den Charakter ihrer Stadtteile liebevoll mitgestalten. Hier können von Seiten der Stadt abgestimmte Gestaltungssatzungen den Erhalt des Ortsbildes unterstützen.

Da Siegen u.a. durch die Hochschulentwicklung wieder eine wachsende Stadt ist stellt sich drängend das Zukunftsthema soziales Wohnen. Sozialer Wohnraum wird überall aus den Innenstädten verdrängt, deshalb wollen wir gegensteuern und für neue Bebauungspläne im Innenstadtbereich eine Quote für sozialen Wohnraum festlegen. Speziell in Siegen fehlen in erster Linie kleine, bezahlbare Wohnungen. In Bezug darauf sind wir auf die Ausschreibungsergebnisse für die drei Grundstücksflächen in Siegen, Kaan und Am Kornberg besonders gespannt. Da die private Wohnungswirtschaft aber bisher nicht ausreichend auf die Bedarfe reagiert, sollten ergänzend auch die besonderen Potentiale der KEG genutzt werden.

Eine grüne Haushaltsrede ohne Anmerkungen zum Thema Nutzung regenerativer Energien und rationeller Energieverwendung in Siegen wäre natürlich unvollständig. Und damit sind wir auch schon beim Thema Windenergie. Unsere kleine Nachbarstadt Hilchenbach macht uns vor, was möglich ist: Ein schon vor vielen Jahren mit großer Zustimmung der Bevölkerung errichteter Bürgerwindpark erzeugt so viel Strom wie alle Privathaushalte in Hilchenbach zusammen verbrauchen. Entgegen aller widrigen Umstände in Siegen halten wir an den verabredeten Zielen fest und wollen weiterhin den Bau von Windenergieanlagen auf Siegener Stadtgebiet vorantreiben.

Genauso wichtig ist der Blick auf andere regenerative Energien, und zumindest hier sehen wir durchaus positive Ansätze: Aufgrund privater Initiative entstand im vorigen Jahr am Leimbachstadion die größte Photovoltaik-Anlage des Siegerlandes, sie erzeugt so viel sauberen Strom, dass hiermit bis zu 160 Vier-Personen-Haushalte versorgt werden können. Zusätzlich profitieren die Zuschauer_innen von der neue Tribünenüberdachung am Kunstrasenplatz.
Eine Photovoltaik-Anlage ähnlicher Größenordnung entsteht zurzeit in der Kläranlage in der Rinsenau. Sie wird in Zukunft zum Wohle der Gebührenzahler_innen die Kläranlage mit preiswertem Strom versorgen.Das derzeit interessanteste Energieprojekt in Siegen ist sicher die Initiative „Energie für Geisweid“. Hier sehen wir die realistische Chance, die seit Jahrzehnten diskutierte Idee der Nutzung der Abwärme der Deutschen Edelstahlwerke und weiterer Betriebe endlich umzusetzen. In einer ersten Ausbaustufe könnten immerhin 8 Mio. Kilowattstunden Abwärme jährlich zur Beheizung umliegender Liegenschaften einschließlich Gebäude der Universität genutzt werden, das entspricht etwa 800.000 l Heizöl, also etwa 200 Tanklastwagen. Aus unserer Sicht sollte die Stadt die Umsetzung dieses Projekts mit allen Kräften fördern. Hier wünschen wir uns natürlich auch die Kooperationsbereitschaft der Universitätsverwaltung.

Ein großes Thema ist natürlich auch in Siegen die zukunftsfähige Mobilität mit den drei Schlagworten
- Verkehrsvermeidung
- Verkehrsverlagerung auf die Verkehrsträger des Umweltverbundes
- und die umwelt- und stadtbildschonende Abwicklung des verbleibenden Individualverkehrs.

Über einen Beitrag zum Thema Verkehrsvermeidung in der Innenstadt haben wir am Beginn der Sitzung gesprochen – Stichwort Parkraumkonzept.
Für den ÖPNV ist die Stadt nur in Teilbereichen zuständig. Immerhin ist es gelungen, für 2017 Mittel für den barrierefreien Umbau von zwei weiteren Bushaltestellen bereitzustellen, zusätzlich zu den bereits planmäßig zum Ausbau vorgesehenen Haltestellen.
Zur klimaneutralen Umstellung des Individualverkehrs wurden in der letzten Zeit einige Ladestationen für Elektro-PKW in Betrieb genommen. Wir hoffen, dass in der nächsten Zeit der Anteil der Elektrofahrzeuge bei der Stadt und in den mit ihr verbundenen Betrieben signifikant zunehmen wird. Fehlleistungen, wie die kürzlich getätigte Beschaffung von zwei PKW mit Verbrennungsmotor ausgerechnet für das Ordnungsamt, dürfen sich nicht wiederholen.

Wir haben den Haushaltsentwurf durchgearbeitet und nach den Positionen gesucht, die unsere politische Arbeit widerspiegeln: Die mangelhafte Lesbarkeit des diesjährigen Entwurfs für den Haushaltsplan zeigt sich am Beispiel Fahrradverkehr markant. Das Wort "Fahrrad" taucht nicht ein einziges Mal auf! Nur durch hartnäckiges Nachfragen ist zu erfahren, dass die Mittel zur Förderung des Fahrradverkehrs, allerdings ausgehend von einem absolut unzureichenden Niveau, zumindest um 50% aufgestockt werden sollen. Diese – an sich ja begrüßenswerte Tatsache – versteckt sich hinter völlig anderen Haushaltstiteln und ist faktisch unauffindbar.
Herr Cavelius, bei allem Verständnis für die mit der Umstellung auf die neue Finanzsoftware verbundenen Schwierigkeiten: der vorgelegte Haushalt ist hinsichtlich der Lesbarkeit und der Beurteilungsmöglichkeit eine wirkliche Zumutung.

Es kann nicht sein, dass selbst Menschen, die sich seit Jahren mit den städtischen Haushalten beschäftigen, diesen jetzt nur noch mit zusätzlicher, extra einzufordernder Hilfe aus der Verwaltung nachvollziehen können.
Es kann nicht sein, dass Haushaltsstellen nur transparent sind, wenn die Kämmerei dies für angebracht hält. In den Ausschussberatungen wurde deutlich, dass selbst Teile der Verwaltung den vorliegenden Entwurf nicht verstehen. Schon im Inhaltsverzeichnis gibt es keine Bezeichnungen der Produktbereiche. Der geneigte Leser, die geneigte Leserin muss also erst einmal im Produktplan ermitteln, in welchem Produktbereich die gesuchten Angaben zu finden sind. Dort findet man aber keine Seitenzahlen, zurückgeblättert zum Inhaltsverzeichnis werden großzügige Bereiche, z.B. Seite 50 bis Seite 150, aufgeführt.
Es kann nicht sein, dass es interessierten Bürger_innen unmöglich gemacht wird, den Haushalt zu lesen und zu verstehen, zumal wir uns nunmehr im Internetzeitalter befinden. Dann muss der Haushalt auch für die Bürger_innen verstehbar sein, sonst wird die vermeintliche Offenheit zum glatten Gegenteil führen: zu Unverständnis und Verärgerung. Nochmals werden wir eine solche Beratungsgrundlage nicht akzeptieren und uns ggfs. weigern, darüber zu beraten und zu beschließen!

Nun, an dieser Stelle, möchten wir uns bei unseren Koalitionspartnern von CDU und FDP bedanken. Unsere Zusammenarbeit klappt gut und vertrauensvoll. Wir haben das Gefühl, dass der Vorrat an Gemeinsamkeiten insbesondere im Bereich der Stadtentwicklung noch lange nicht aufgebraucht ist.Insgesamt habe ich den Eindruck, dass die Zusammenarbeit im Rat auch mit den anderen Fraktionen, bis auf wenige Ausnahmen, gut funktioniert, auch wenn wir, was in der Natur der Sache liegt, nicht immer einer Meinung sind.

Sehr geehrte Kolleg_innen, Herr Bürgermeister,
wir stimmen dem Haushalt 2017 zu. In finanziell schwierigen Zeiten bestehen nur wenige Gestaltungsoptionen, diese haben wir und diese werden wir auch in Zukunft im Sinne unserer Stadt wahrnehmen.
Abschließend möchten wir den Mitarbeiter_innen der Stadtverwaltung danken. Es ist nicht immer einfach, den Anforderungen und Wünschen aus der Bevölkerung und auch der Politik (und da beziehe ich uns ausdrücklich mit ein) gerecht zu werden. Dass Sie den Erwartungen doch im weitaus überwiegenden Teil entsprochen haben, zeigt: Diese Stadtverwaltung ist fachlich gut aufgestellt und sie hat auch starke Nerven.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

Für die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN im Rat der Universitätsstadt Siegen
Ansgar Cziba
Stadtverordneter

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