Haushaltsrede zum Haushalt 2012

gehalten von Bärbel Gelling am 21.12.11



Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,

die vorgelegten Zahlen des Haushaltsplans lassen das strukturelle Defizit des Haushalts geringer und einen originären Haushaltsausgleich in 2017 erreichbar erscheinen. Aus unserer Sicht kann von Entwarnung allerdings keine Rede sein. Auch in 2017 bleiben uns Kassenkredite und Schulden in 3-stelliger Millionenhöhe, für deren Abbau noch kein Konzept erkennbar ist.

Wir setzen uns deshalb für eine Verbesserung der Einnahmesituation der Stadt ein - in den Bereichen, die sozial verträglich und im Rahmen einer nachhaltigen Stadtentwicklung sinnvoll sind. Dazu gehören:

 

  • die längst fällige Erhöhung der Gewerbesteuer um 10 Prozentpunkte, das sind gerade mal 2,2%, Ertrag 1,5 Mio. €/a. Zur Erinnerung: Gewerbesteuer wird nur aus dem entstandenen Gewinn der Unternehmen bezahlt.

  • die Erhöhung der Vergnügungssteuer für Spielhallen von 18 auf 20%. Spielhallen haben in Konzepten zur nachhaltigen Stadtentwicklung keinen Platz, solange es sie aber noch gibt, sollten wir den größtmöglichen Teil ihrer Gewinne abschöpfen.

  • dazu gehört auch die Überprüfung der Bewirtschaftung von zusätzlichen Parkflächen im Zentrum,wie im Haushalts-Sicherungskonzept vom Rat ja bereits einstimmig beschlossen. Diese Maßnahmehilft auch, überflüssigen Parksuchverkehr zu vermeiden.

  • Nach wie vor beklagen wir das Fehlen von Konzepten zur Nutzung regenerativer Energien und zurrationellen Energienutzung im Stadtgebiet. Zusätzlich zum Nutzen für den Klimaschutz führt jedesinnvoll geplante Windkraftanlage zu kontinuierlich fließenden Gewerbesteuereinnahmen für die Stadt. Aber auch die im Stadtgebiet tätigen Firmen zum Bau und Betrieb von Photovoltaikanlagen und Blockheizkraftwerken schaffen Arbeitsplätze und zahlen Gewerbesteuern.

  • zur Verbesserung der Einnahmensituation gehört ebenfalls die Erhöhung der Grundstückspreise im Gewerbegebiet Leimbachtal/Martinshardt. Zwar ist die Behauptung der Verwaltung, dass die Nachfrage dort wesentlich größer als das Angebot sei, bislang unbewiesen. Bei großer Nachfrage entsteht hier jedoch ein Spielraum für eine Preiserhöhung von z.B. 10 €/m², für die wir uns von Anfang an eingesetzt haben. Dies würde Mehrerlöse von 1,5 Mio. € ermöglichen. Hohe Grundstückspreise üben zudem Druck in Richtung flächensparendes Bauen aus und verringern die Notwendigkeit neuer Gewerbegebiete.

Weitere Ausgabenkürzungen im Haushalt – von Einzelfällen abgesehen – sind kein probates Mittel. Von daher ist ein Nachdenken über die oben skizzierten Einnahmeverbesserungen unabdingbar. Mit diesen konkreten Vorschlägen konnten wir bei den anderen Fraktionen leider kein Gehör zu finden.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich komme zur Bildungspolitik in unserer Stadt. Dabei sagen wir sechsfach JA! Wir wollen, dass folgende Ziele im Haushalt festgeschrieben werden:

 

  1. JA zum weitgehenden Erhalt der Grundschulen in unserer Stadt
    Im Grundschulbereich gilt für uns der Grundsatz „Kurze Beine - kurze Wege“. Nachdem der Arbeitskreis Bildung gescheitert war, haben die schulpolitischen Sprecher von CDU, SPD, FDP, UWG und GRÜNEN Lösungen mit Augenmaß erarbeitet. Zum einen reagieren wir in Siegen Süd auf die dramatisch rückläufigen Schülerzahlen mit der Zusammenlegung von Burg- und Dreisbachschule. Zudem schaffen wir mit der Verlagerung der Albert Schweitzer Schule in das große Gebäude der Waldschule Optionen für die Bildung eines größeren Schulverbundes - sollte es auch im Norden nicht möglich sein, aufgrund der geringen Schülerzahl eine Eingangsklasse zu bilden. Dieser Kompromiss ist richtig, weil er die schulpolitischen Eingriffe auf ein Minimum begrenzt. In diesem Zusammenhang freuen wir uns über die Initiative der Landesregierung, die die Schlüsselzahlen zur Klassenbildung in Grundschulen von durchschnittlich 24 auf 22,5 reduziert hat. Dass nun die Mindestklassengröße von 18 auf 15 Kinder reduziert wurde, ist die richtige Antwort auf den demografischen Wandel – eine wirklich gute Arbeit der rot grünen Landesregierung!

  2. JA zur kostenfreien Nutzung von Ganztagsangeboten in Grundschulen für Geringverdiener
    Wir GRÜNE sind froh über die eingezogenen Standards für Geringverdiener. Ganztagsgrundschulen bleiben auch in Zeiten des Nothaushalts für Bezieher geringer Einkommen genauso kostenfrei, wie auch das Mittagessen. Das ist gelebte soziale Gerechtigkeit!

  3. JA zur Wiedereinführung der Grundschulbezirke
    Der Rat der Stadt Siegen hat einen Prüfauftrag zur Wiedereinführung der Grundschulbezirke beschlossen. Meine Fraktion positioniert sich hier klar: Wir wollen die Grundschulbezirke wieder einführen. Grundschulkinder sollen dort zur Schule gehen, wo sie leben. Den Aufbau künstlicher Konkurrenzen zwischen den Grundschulen – und auch dazu diente die Aufhebung der Bezirke – halten wir für falsch. Wir meinen: Grundschulen sind „Gesamtschulen“ und sollen es auch bleiben. Hier sollen alle Kinder die gleiche Qualität der Lehre und der individuellen Förderung vorfinden.

  4. JA zur Schaffung von mindestens zwei Sekundarschulen in Siegen
    Auch bei den weiterführenden Schulen hinterlässt der demografische Wandel seine Spuren. Haupt- und Realschulen sowie Gymnasien werden dramatische Schülerrückgänge hinzunehmen haben. Wir sind davon überzeugt, dass Schulzusammenlegungen unvermeidbar sind. Die neu konzipierte Sekundarschule wird uns helfen. Wir meinen: eine solche Schule sollten wir sowohl im Siegener Norden und mittelfristig auch in Siegen Mitte schaffen.

  5. JA zur Inklusion und zur Schaffung flächendeckender Angebote zur gemeinsamen Erziehung behinderter und nicht behinderter Kinder
    Meine Damen und Herren, ich erinnere mich noch gut, welche zum Teil unwürdigen Debatten wir zum Thema der integrativen Beschulung von Kindern mit und ohne Behinderung zu ertragen hatten. Zumindest mehrheitlich sind wir seit vielen Jahren aber auf dem richtigen Weg. Zahlreiche Erfahrungen zeigen, dass das gemeinsame Lernen Vorteile für die Lernentwicklung aller Kinder – mit und ohne Behinderung - hat. Die UN-Behindertenrechtskonvention, die in Deutschland seit 2009 gilt, stellt nun den Ländern die Aufgabe, ein inklusives Schulsystem zu entwickeln. Wir GRÜNE begrüßen dies ausdrücklich! Wir wollen, dass auch unsere Kommune hier aktiv wird und die Entwicklung im Sinne der UN-Konvention vorantreibt.

  6. JA zur Aufstockung der Mittel für die Bauunterhaltung an unseren Schulen
    Der bauliche Zustand unserer Schulen ist das wohl älteste Problem der städtischen Bildungspolitik: Noch immer drückt uns ein Unterhaltungsstau von über 16 Mio. Euro. Und das, nachdem die Konjunkturprogramme des Bundes genutzt und abgearbeitet wurden. Damit der Unterhaltungsstau jetzt nicht weiter nach oben schnellt, hat der Fachausschuss auf unseren Antrag hin beschlossen, alle Verkaufserlöse aus Schul-gebäuden, die nicht mehr benötigt werden, für andere Schulgebäude zusätzlich zur Verfügung zu stellen. Wir sind entschlossen, die Schulen der Stadt endlich in einen guten Zustand zu bringen!

 

Meine Damen und Herren, nach unseren 6 Ja´s zur Siegener Bildungspolitik nun ein „Nein“. Dieses „Nein“ ruf ich all jenen zu, die versuchen, Eltern und Lehrer für parteipolitische Zwecke zu instrumentalisieren.

Meine Damen und Herren, ich komme nun zum Bereich Umweltpolitik und Grünflächenkonzept.
„Ohne Grün ist alles grau“ - das war das Motto des Einwohnerantrags zur Begrünung unserer vier Stadt-plätze im Jahr 1999 - einige von Ihnen werden sich noch daran erinnern. Dort hieß es, ich zitiere aus dem Antrag: „...um begrünte Schutzräume zum Wohlfühlen und Verweilen zu schaffen und außerdem jeweils Spielmöglichkeiten für Kinder sowie Begegnungs- und Ruheräume auch für ältere Menschen anzubieten.“ - Forderungen, die damals wie heute gelten.

Die CDU unterstützte 1999 indirekt die Kampagne im Kommunalwahlkampf mit ihrem Motto: „Wir sind für Grün ohne grün zu sein“!

Sehr geehrte Damen und Herren von der CDU – was ist aus Ihrem Vorsatz geworden? Dank Ihres Wider-standes in den zuständigen Ausschüssen sind Vorschläge und Konzepte zu diesem Thema immer wieder verworfen worden.

Jetzt - zwölf Jahre später! - ist Grün endlich angekommen. Manche Gedanken, Wünsche und Konzepte brauchen offensichtlich etwas länger.
Wir müssen den Wohn- und Lebensort Siegen für alle Altersgruppen bedarfsgerecht, attraktiv und lebenswert gestalten. Die Gefahr der Abwanderung in andere Wohnorte ist nicht zu unterschätzen. Auch die „Studie zur Lebensqualität in Siegen“ aus dem Jahr 2009 gibt Hinweise auf den Zusammenhang von Wohnortwechsel und Lebensqualität.

Meine Damen und Herren, der Entwurf eines Grünflächenkonzeptes liegt jetzt endlich vor - und das begrüßen wir sehr, denn dieser Entwurf trägt klar eine „Grüne“ Handschrift. Dennoch: bislang greift das Konzept noch zu kurz. Vergleichen wir das Entwicklungskonzept mit einer Pflanze, die gehegt und gepflegt werden muss, damit sie Blüten treiben und Früchte tragen kann. Eine gesunde Pflanze braucht aber genügend Wurzelraum, um sich zu entfalten und den ganzen zur Verfügung stehenden Raum zu erschließen. Ist das nicht der Fall, bleibt das Wachstum gehemmt.

Genauso verhält es sich mit dem Grünflächenkonzept, das bislang auf die 12 Innenstadtquartiere fokussiert ist und die Außenbezirke vernachlässigt. Dabei bilden unsere Flüsse Sieg und Ferndorf großflächige Lebens-adern für eine ökologische und für den Menschen wertvolle Grünraumentwicklung.
Ich verweise an dieser Stelle auch auf unseren Antrag vom September, der sich schwerpunktmäßig mit dem Ausbau und der Renaturierung der Flussareale befasst.

Im Zusammenhang mit dem Grünflächenkonzept müssen Geh- und Radwege, Spiel-, Ruhe- und Aufenthaltsmöglichkeiten für alle Menschen - über alle Generationen und Grenzen hinweg - so gestaltet werden, dass ein Verweilen und Interagieren möglich wird. Diese Maßnahmen sind in die Planung einzubinden.

In diesem Konzeptentwurf fehlen auch ökologische Aspekte und Maßnahmen zur Verbesserung der Artenvielfalt: von A wie Assel bis Z wie Zaunkönig; von Apfelbaum bis Zitterpappel. Wir fordern, dass sie im weiteren Verlauf des Projektes als unverzichtbares Kriterium in die Planung und Gestaltung integriert werden. Bürgerinnen und Bürger wie auch Naturschutzverbände sind an diesem Prozess zu beteiligen.
Selbstverständlich ist im Rahmen der anstehenden Projekte die haushaltstechnische Ausstattung der zuständigen Fachbereiche zu überprüfen. Meine Damen und Herren, lassen Sie uns dieses Projekt konstruktiv, unterstützend begleiten!

Grüne Visionen werden endlich Realität!
Alle Ratsfraktionen haben den Abriss der Siegplatte beschlossen. Die letzten finanziellen Hürden sind durch die 80%ige Landeszuweisung aus dem Weg geräumt. An dieser Stelle einen ganz besonderen Dank an die Landesregierung! Damit wird die Chance geboten, dem Aufbruch zu neuen Ufern eine eigene unverwechselbare Identität mitzugeben und weit mehr zu entwickeln als die jetzt vorhandene Planung. Dieser urbane Raum muss lebendig und naturbezogen werden. Wir wollen Spielelemente, die den Bezug zum Wasser herstellen und Bestandteile einer innerstädtischen Leitplanung von Spielräumen für Jung und Alt sind. Unser Antrag dazu vom diesjährigen Mai ist im Rat einstimmig angenommen worden! Der Auftrag an die Verwaltung zur Umsetzung dieser Forderung ist also gegeben.

Ich komme zur abschließenden Wertung des Haushaltes 2012, den wir, anders als in den Vorjahren, ablehnen werden. Wir haben bis zuletzt versucht, grüne Projekte in Gesprächen mit den anderen Fraktionen einzubringen, um doch zustimmen zu können. Aber, meine Damen und Herren, SPD und CDU wollen:

 

  • keinen behindertengerechten und barrierefreien Ratssaal keinen Winterdienst
  • auf Fuß- und Radwegen
  • keine Fachstelle, die sich um das Einwerben europäischer Fördermittel kümmert
  • keine neuen Vorrangflächen für Windenergie
  • selbst die 20 000 Euro für die kindgerechte Stadtgestaltung wollen sie nicht. Dabei wäre dieses Geld zur Attraktivierung unserer Stadt gut angelegt. Statt den unsäglichen verkaufsoffenen Sonntagen hätte man hier dauerhaft Anziehungspunkte für unsere Stadt schaffen können.

 

Ja, meine Damen und Herren, das ist schlecht: sie wollen nicht. Wir werden heute einen neuen Versuch starten, wenigstens Teilbereiche per Antrag durchzusetzen.

Das oft zitierte Argument des Haushaltes, der nicht ausgeweitet werden soll, stimmt aus unserer Sicht nicht. Sie weiten mit den Beschlüssen heute den Haushalt aus und werden so dem von Ihnen postulierten Sparkurs nicht gerecht.

Meine Damen und Herren, trotz allem sind wir guter Dinge. Denn in diesem Jahr wird nach inzwischen 23 jährigem Einsatz endlich Realität, wofür wir so lange gestritten haben, erst ganz alleine, dann mit anderen: Die Siegplatte wird abgerissen, das Siegufer gestaltet. Ein wahrhaftig geschichtsträchtiger Moment auch für uns Grüne, der zeigt, dass sich langer Atem lohnt. Die Siegener Innenstadt wird erheblich an Aufenthaltsqualität gewinnen. Das, meine Damen und Herren, ist unser Erfolg und er wird es auch bleiben, ganz unabhängig davon, welche Mehrheit heute den Siegener Haushalt verabschiedet.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Für die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN
im Rat der Stadt Siegen
Bärbel Gelling



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