Haushaltsrede zum Haushalt 2020

gehalten von Angela Jung am 26.02.2020

Es gilt das gesprochene Wort
Sperrfrist 26.02., 17.00 Uhr

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrter Herr Cavelius,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Rates,
sehr geehrte Gäste,

die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird dem vorgelegten Haushalt mit den eingebrachten Änderungen zustimmen.

Wir tun das nicht in der Überzeugung, dass alles und jedes in diesem Zahlenwerk unsere Zustimmung findet, aber wir meinen: die Umsetzung dieses Haushaltes macht das Leben in unserer Stadt insgesamt besser. So finden sich gute Ansätze im Bereich der Stadtgestaltung und zur Verbesserung der Infrastruktur im Haushalt wieder und – nach Annahme unseres Antrages zum Klimaschutz – auch die überfällige Konkretisierung unserer Pläne hin zu Klimaneutralität!

Dass wir bei all dem den Haushaltsausgleich 2022 gewährleisten, ist ein wichtiger Schritt, um die dringend erforderlichen Klimaschutzmaßnahmen durchzuführen!

Sollte nämlich der Haushaltsausgleich nicht gelingen und Siegen in den Nothaushalt geraten, wird in dieser Stadt kaum noch etwas zu bewegen sein. Dann regieren die Aufsichtsbehörden und nicht mehr die, die kommunale Verantwortung tragen.

Meine Damen und Herren,
dennoch kostet es uns einige Mühe, diesen Haushaltsplan in seinen Details zu würdigen. Nach wie vor halten wir die Darstellung des Haushaltsplans der Stadt Siegen für kaum lesbar. In den letzten Jahren hat sich hier wenig verbessert, in einigen Bereichen sogar verschlechtert.

Gut ist, dass der Haushalt der Öffentlichkeit über das Internet zur Verfügung steht. Aber, meine Damen und Herren, dann muss er auch verstehbar und wirklich transparent sein, sonst kann die vermeintliche Offenheit zum glatten Gegenteil führen: zu Unverständnis und Verärgerung.

Wir erwarten hier von der Verwaltung größere Anstrengungen. Es kann nicht sein, dass selbst die Kämmereiexperten manchmal nicht so genau wissen, ob eine Maßnahme denn nun im Haushalt zu finden ist oder wo sie sich versteckt.

Meine Damen und Herren,
seit der letzten Kommunalwahl gibt es in Siegen eine sogenannte Koalition der Möglichkeiten zwischen CDU, FDP und uns GRÜNEN. Allen war damals klar, dass das bei so verschiedenen Politikansätzen und Inhalten nicht ganz einfach werden würde. Aber es lief besser als viele gedacht haben und es hat bis heute gehalten.

So haben wir in den letzten Jahren einiges auf den Weg gebracht: die dritte Siegener Gesamtschule etwa oder den nachhaltigen Schutz der großen Erholungsflächen auf dem Giersberg und dem Wellersberg, die im Wohnbaulandkonzept zur Bebauung vorgesehen waren.

Und viele Projekte, die noch nicht fertiggestellt sind, wurden von uns angestoßen: etwa die Neugestaltung des Herrengartens oder die Erweiterung des Schlossparks nach dem Abriss der ehemaligen Jugendherberge. Das sind Entsiegelungsmaßnahmen, die auch wichtig für den Klimaschutz sind.

Aber es gibt auch klare Beschlüsse dieses Rates, die - zum Teil aus unerfindlichen Gründen - nicht umgesetzt werden.

Ich nenne hier den Ausbau erneuerbarer Energien. Für Photovoltaikanlagen haben wir vor ziemlich genau einem Jahr 400.000 Euro bereitgestellt. Es wurde keine einzige neue Anlage gebaut! Wirtschaftlichkeit darf kein Ausschlusskriterium sein. Wir haben im September beschlossen, dass die Stadt die Auswirkungen auf das Klima in allen ihren Entscheidungen berücksichtigt und alles in ihrer Macht stehende tun wird, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Da müssen energetisch sinnvolle Maßnahmen auch umgesetzt werden, wenn sie nicht gleich Gewinn abwerfen.

Bezahlbarer Wohnraum fehlt vor allem in der Innenstadt. Der wichtige Beschluss, mindestens 20% von neuen Bauvorhaben, bei denen die Stadt - z.B. durch Grundstücksverkauf - beteiligt ist, für öffentlich geförderten Wohnungsbau zu reservieren, muss unbedingt zügig verwirklicht werden. Hier erwarten wir von der Verwaltung im 2. Quartal 2020 eine Vorlage zur konkreten Umsetzung des Beschlusses.

Die Parkraumbewirtschaftung in der Innenstadt, die endlich den Parksuchverkehr nach den wenigen kostenfreien Parkplätzen verhindern sollte, ist nicht umgesetzt.

An unseren Beschluss, durchgängige Uferwege entlang von Ferndorf und Sieg anzulegen, müssen wir die Verwaltung ständig erinnern. Von weiterer Förderung für den Radverkehr ganz zu schweigen. Seit unserem Beschluss zum Radverkehrskonzept im Jahr 2015 ist zu wenig geschehen.

Die Verwaltung erklärte, dass die fehlende Umsetzung unter anderem an der Arbeit in zu vielen Ausschüssen liegt. Hier in Siegen hat jedes wichtige Thema einen eigenen Ausschuss. Wir finden das im Sinne einer gelebten Demokratie wichtig und richtig.

Aber – lassen Sie uns nochmal darüber reden, wie wir in Zukunft die Kräfte bündeln und der Verwaltung mehr Raum zum Handeln geben können. Denn unsere heutige Entscheidung zum Klimaschutz erfordert zügige und stringente Umsetzung ohne jede Verzögerung!

Meine Damen und Herren,
wir GRÜNE mussten in den vergangenen Jahren auch schwere politische Niederlagen hinnehmen. Ich erwähne als jüngste Beispiele die stadtentwicklungspolitisch und auch ökologisch falsche Entscheidung, das Unternehmen Timberjacks in der Numbach anzusiedeln.

Ich erwähne weiter den fehlgeschlagenen Versuch, das Stromnetz in Siegen in die Hand der Kommune zu bekommen. Das, was vor einigen Jahren noch in großer politischer Einigkeit angeschoben wurde, stellte sich am Ende tatsächlich als Rohrkrepierer heraus. Unter der Beteiligung eines großen Stromkonzernes wird hier eine sogenannte kommunale Netzgesellschaft gegründet. Faktisch ist diese Gesellschaft aber als reine Vermögensverwaltungsgesellschaft und mit der Sperrminorität der Altbesitzer ein völlig zahnloser Tiger. Eine wirklich vertane Chance, die erst in vielen Jahren zurückzuholen ist.

Erwähnen möchte ich auch die gescheiterte Umsetzung des Projektes „Wärme für Geisweid“ oder die völlig misslungene Planung von Windkraftanlagen in Siegen. Von den vor vielen Jahren politisch verabredeten 10 Windkraftanlagen ist keine einzige gekommen. Hier haben wir als Stadt Siegen mit der Vorrangzonenpolitik auf das falsche Pferd gesetzt. Deshalb sollten wir hier schleunigst Korrekturen vornehmen.

Sehr geehrte Damen und Herren,
auch wenn nicht alles glatt gelaufen ist, möchte ich ein paar Worte zur Zusammenarbeit im Rat, aber auch in der Jamaika-Koalition verlieren. Zunächst möchte ich mich bei unseren Koalitionspartnern von CDU und FDP bedanken für die Zusammenarbeit in den letzten 5 Jahren. Sie hat bei vielen Projekten und Maßnahmen gut geklappt.

Klar ist aber auch, dass sich unsere Parteien in wichtigen Fragen doch sehr unterscheiden. Jüngstes Beispiel dafür ist unser heutiger Antrag zum Klimaschutz, der nur von CDU und GRÜNEN eingebracht wurde. Oder auch das eben geschilderte Projekt Timberjacks und andere, wo es keine Einigung gab. Ebenso bei der Gewerbeflächenpolitik sind wir nicht immer einer Meinung. Das angedachte Gewerbegebiet Oberschelden Seelbach lehnen wir jedenfalls weiterhin vehement ab.

Dennoch, die Stärke eines Bündnisses bemisst sich nicht daran, ob alles gut und in Harmonie verläuft, sondern auch daran, Widersprüche auszuhalten. Das, meine Damen und Herren, haben wir in den vergangenen Jahren reichlich üben dürfen.

In der Zusammenarbeit mit den anderen Fraktionen müssen wir auch den einen oder anderen Fehler einräumen: so ist es uns oft nicht gelungen, von Jamaika entwickelte Anträge frühzeitig an die anderen Fraktionen zu übermitteln. Das hat Ihnen die Arbeit mit uns sicher erschwert, und ich weiß: wären wir an Ihrer Stelle gewesen, hätten wir auch geschimpft. Deshalb geloben wir Besserung, wir Demokrat*innen müssen mehr zusammenarbeiten!

Meine Damen und Herren,
auch wenn sich die Wahlperiode dem Ende entgegen neigt, wollen wir als GRÜNE noch weitere politische Initiativen auf den Weg bringen. Exemplarisch möchte ich heute drei nennen, die wir gerne kurzfristig vorlegen wollen:

  1. Wir wollen weniger Müll in der Stadt
    Weggeworfene Einwegverpackungen belasten die Umwelt und führen zu einer unnötigen Verschwendung von Ressourcen. Zusätzlich stellt die Entsorgung eine Belastung für den kommunalen Haushalt dar. Weil eine Mülltrennung im öffentlichen Raum praktisch nicht durchführbar ist, braucht es andere Steuerungsinstrumente, um hier entgegen zu wirken. Die Einführung einer Verpackungssteuer im Sinne einer örtlichen Verbrauchssteuer kann zu Vermeidung von Einwegverpackungen beitragen und Anreize zur Nutzung von Mehrwegsystemen setzen.

    Seit dem 01. Januar 2019 gilt das neue Verpackungsgesetz, das dem vorrangigen Prinzip der Abfallvermeidung folgt. Jetzt sind die Kommunen gefordert, dieses Ziel konsequent umzusetzen.

    Als erste Stadt Deutschlands hat Tübingen den Schritt gewagt, dem Wegwerf-Unfug von Einwegverpackungen eine Verpackungssteuer entgegen zu setzen. Diese muss zukünftig von allen Betrieben im Stadtgebiet gezahlt werden, die Einwegverpackungen ausgeben.
    Wir wollen damit Mehrwegsysteme fördern. So können die Einnahmen aus einer Verpackungssteuer in einen Fond fließen und z.B. zur Anschaffung von Mehrweggeschirr für Vereinsfeiern, für ein Geschirrmobil oder zur Unterstützung von kleinen Betrieben, die Mehrweggeschirr einsetzen, genutzt werden.
  2. Wiederbesetzung von Verwaltungsstellen
    Wir wollen in den nächsten Monaten aktiv werden, um die durchaus angespannte personelle Situation in der Verwaltung zu verbessern. Hier geht es uns darum, absehbar frei werdende Stellen, z.B. durch Renteneintritt der bisherigen Stelleninhaber*Innen, rechtzeitig auszuschreiben. Uns schwebt vor, mindestens 12 Monate vorher die Stellen auszuschreiben und zu besetzen. So kann gewährleistet werden, dass für die dann neuen Stelleninhaber*innen auch tatsächlich eine fachkundige Einarbeitung erfolgt.
  3. Ein CO Ein CO Ein CO2-neutrales Gewerbegebiet Martinshardt II
    Eine städtische Studie, die aus unerfindlichen Gründen von der Verwaltung unter Verschluss gehalten wird, belegt: das Gewerbegebiet Leimbachtal/Martinshardt könnte sich mit Photovoltaikanlagen auf den vorhandenen Dachflächen komplett selbst mit Strom versorgen. Für uns ist daher ein Gewerbegebiet mit Photovoltaikanlagen, Erdwärmenutzung und/oder Holzhackschnitzelheizungen als Nahwärmesysteme, mit begrünten Dächern und Regenwassernutzung, mit optimaler Anbindung an ÖPNV und Radwegenetz sowie einem zentralen Parkhaus keine Utopie, sondern ein realistisches Ziel. Für dessen Verwirklichung werden wir uns mit aller Kraft einsetzen.

Dies alles ist nur ein kurzes Programm für die unmittelbare Zukunft; wir haben noch viel mehr vor. Wir werden weiterhin für eine Verkehrswende in Siegen eintreten. Durch eine intelligente Verknüpfung von verschiedenen Verkehrsarten wollen wir eine weitgehend autofreie Innenstadt bekommen. Wünschenswert wäre, wenn die Bundespolitik für einen kostenlosen ÖPNV sorgen würde! Dieses könnte nicht nur die Verkehrsströme entlasten und CO2 einsparen, sondern würde auch Menschen mit geringem Einkommen zugutekommen und Platz schaffen für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen.

Abschließend möchte ich, trotz der geäußerten Kritik, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung für ihre Arbeit danken, gerade auch denen, die sich mit uns in der Kommunalpolitik auseinandersetzen. Und, last but not least, auch all den Bürger*innen, die einzeln oder in außerparlamentarischen Gruppen für eine Verbesserung unserer Lebensverhältnisse eintreten. Gerade in Sachen Klimaschutz sind aus unserer Sicht die Kreativität und das Engagement aller gefragt, um unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten.

Herzlichen Dank.



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