Haushaltsrede zum Haushalt 2015

Gehalten von Florian Kraft
am 18.02.2015

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren des Rates, sehr geehrte
Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt,

die ersten knapp acht Monate unserer Koalition aus CDU, FDP und GRÜNEN liegen inzwischen hinter uns. Der ein oder andere mag unsere „Koalition der Möglichkeiten“ zunächst kritisch beäugt haben, aber heute können wir sagen: der Start ist gelungen. Dabei möchte ich zunächst das wirklich gute und vertrauensvolle Klima zwischen den Koalitionären hervorheben. Die Zusammenarbeit ist getragen vom Wissen der Gemeinsamkeiten, aber auch der Unterschiede. Und weil das so ist, gelingt es immer wieder, in wichtigen Sachfragen tragfähige Kompromisse zu finden. Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle öffentlich für die gute Zusammenarbeit - auch bei schwierigen Themen - ausdrücklich im Namen meiner ganzen Fraktion bedanken.

Aber lassen Sie mich konkret werden. Was hat Jamaika denn tatsächlich in den vergangenen Monaten geschafft?

Wir haben zunächst den Sitzungsbeginn der meisten Ausschüsse arbeitnehmer*innenfreundlich auf 17 Uhr verlegt, wir haben das Thema Tourismus erstmals einem Fachausschuss zugeordnet und damit die Grundlage für eine dauerhafte Befassung geschaffen.
Wir haben ein umfangreiches Radverkehrskonzept beauftragt und ein gesamtstädtisches Wohnungskonzept nach unseren gemeinsamen Vorstellungen verabschiedet.
Wir haben endlich die Windvorrangflächen auf den Weg gebracht und sogar in der schwierigen Debatte um das Freihandelsabkommen TTIP uns kommunal hervorragend und differenziert positioniert. Seien wir ehrlich: das hätten viele sicher nicht erwartet.
Soeben haben wir eine Überarbeitung des Parkraumwirtschaftskonzepts beschlossen, die zu einer Verbesserung der Luft- und Aufenthaltsqualität in der Siegener Innenstadt führen wird.
Für weitere Maßnahmen im Umweltbereich wollen wir uns mit Nachdruck einsetzen, darunter den ökologischen Stadtumbau sowie Maßnahmen der Entsiegelung und die Offenlegung von Abschnitten unserer Fließgewässer. Sehr erfreulich sind darüber hinaus die Aktivitäten im Arbeitskreis Tierschutz, in dem fraktionsübergreifend konstruktiv gearbeitet wird.

Last but not least haben wir neben vielen weiteren grünen Themen entscheidende Schritte im Bereich der Schulpolitik vollzogen, auf die ich im Folgenden gerne eingehen möchte.

Wir haben es hier mit einem Politikfeld zu tun, das uns im vergangenen Halbjahr intensiv begleitet hat und auch in Zukunft weiter begleiten wird. Wir befinden uns in einer Phase diverser Entscheidungen in der Schulentwicklungsplanung. Vergangene Diskussionen haben gelehrt, dass solche Entscheidungen in vielen Fällen persönliche Betroffenheit und daher oft auch Emotionen mit sich bringen. Es ist uns daher ein besonderes Anliegen sorgfältig abzuwägen und über Gespräche Betroffene in die Entscheidungsfindung einzubeziehen. Das ändert aber nichts daran, dass schließlich Entscheidungen getroffen werden müssen – immer unter der Prämisse, in den Stadtbezirken dauerhaft eine ausreichende Zahl an Schulplätzen zur Verfügung stellen zu können.
Das betrifft zum einen den Bereich der Primarstufe. Hier haben wir mit dem Umzug der Hammerhütter Schule auf den Fischbacherberg eine Weichenstellung getroffen, die an ihrem neuen Standort eine stabile, dreizügige Schule dauerhaft sicherstellt. Das Anmeldeverfahren zum neuen Schuljahr zeigt, dass diese Schule angenommen wird, gerade auch von Eltern aus dem Quartier Fischbacherberg. Wir sind uns sicher, dass dort Vielfalt gelebt und die Schule zu einem wichtigen Faktor für diesen Stadtteil werden wird.

Darüber hinaus ist es uns auch weiterhin ein Anliegen, kleine Grundschulstandorte zu erhalten. „Kurze Beine, kurze Wege“ – diese Redewendung wird vielfach diskutiert. Sie trifft den Kern der Sache aber gerade in unseren dörflichen Stadtteilen. Dort nehmen die Grundschulen eine wichtige Funktion für die Dorfgemeinschaft ein. Wir erteilen Bestrebungen nach einer verstärkten Schließung dieser Schulen eine klare Absage. So ermöglicht die Einrichtung eines Schulverbundes im Siegener Süden, den Standort Gosenbach zu erhalten. Außerdem zeigen die Anmeldezahlen eine höchst erfreuliche Entwicklung an der Eiserner Schule. Es wird deutlich: Die Eltern wollen die Grundschulen in ihren Orten! Entscheidend ist nicht primär, wie groß ein System ist, sondern wie man sich pädagogisch darauf einstellt. Und da haben kleine Schulen z. B. mit jahrgangsübergreifendem Unterricht einen zukunftsfähigen Ansatz gefunden.

Zukunftsfähigkeit, Nachhaltigkeit – diese Leitlinie gilt selbstverständlich auch für die Planungs-prozesse bei den weiterführenden Schulen. Erste Schritte gemacht, aber noch viel zu tun – so könnte man den Status quo durchaus beschreiben. Im Siegener Süden ist es uns gelungen, der starken Nachfrage an Gesamtschulplätzen gerecht zu werden: Ab dem kommenden Schuljahr werden 30 weitere Schülerinnen und Schüler an der Gesamtschule Eiserfeld aufgenommen werden können, dazu wird die Oberstufe um einen Zug erweitert. Gleichzeitig entsteht durch den Umzug der Realschule Am Hengsberg auf die Morgenröthe ein weiteres starkes Schulzentrum. Es ist gewährleistet, dass im Siegener Süden auch weiterhin alle schulischen Bildungsabschlüsse angeboten werden können.

Damit stehen wir aber immer noch am Anfang: Unser Ziel ist eine ganzheitliche Schulentwicklungsplanung in allen Bezirken unserer Stadt. Dabei dürfen wir uns den aktuellen Entwicklungen – insbesondere im Haupt- und Realschulbereich – nicht verschließen und müssen nach zukunftsfähigen Lösungen suchen. Wir wollen mehr gemeinsames Lernen und keine Restschulen! Um dieses Ziel zu erreichen, muss auch das Sekundarschulmodell Gegenstand zukünftiger Beratungen werden. In diese sollen selbstverständlich alle Akteure einbezogen werden – getreu dem Motto „Betroffene zu Beteiligten machen“!

Wir müssen dafür Sorge tragen, dass bestehende Schulen auch weiterhin „gute Schulen“ bleiben oder neue Schulen zu solchen werden. Dies gelingt nur durch das hohe Engagement von Schulleitungen, Lehrer*innen und Eltern an unseren Schulen, aber auch durch eine angemessene Ausstattung. Es ist unsere Aufgabe, allen betroffenen Schulen ausreichende Ressourcen bereitzustellen, damit diese ihre Qualitätsstandards halten und möglichst auch weiterentwickeln können. Gute Schulen sind darüber hinaus solche, die Vielfalt leben und sich dem Ziel der Inklusion verpflichtet fühlen – unabhängig von der Schulform. Dabei wollen wir sie – so gut es geht – auch materiell unterstützen, wenngleich das alleine nicht ausreicht. Wir setzen darauf, dass auf Landesebene Weichenstellungen getroffen werden, die die personelle Ausstattung unserer Schulen deutlich verbessern.

Lassen Sie mich zu einem weiteren wichtigen Punkt der Kommunalpolitik kommen, dem Thema nachhaltige Mobilität. Dies bedeutet für uns vor allem einen möglichst weitgehenden Umstieg auf umweltfreundliche Verkehrsarten: ÖPNV, Radfahren und Fußgängerverkehr. Über die Nachteile des motorisierten Individualverkehrs ist schon viel geredet und geschrieben worden. Auch in Siegen leiden wir unter dadurch verursachter Luftverschmutzung, Lärm und zunehmender Bodenversiegelung. Bei der Umsetzung des Zieles „Verkehrswende“ sehen wir in Siegen etwas Licht, aber leider auch noch viel Schatten. Der ÖPNV im Siegerland ist bekanntermaßen sehr teuer und wenig attraktiv. Eine Ursache liegt darin, dass der ehemalige Landrat den Siegerlandflughafen mit 2 Mio. € Steuergeldern pro Jahr subventioniert hat – Gelder, die im Bereich des ÖPNV zweifelsohne besser angelegt wären. Positiver sieht es dagegen beim Schienenverkehr aus: Die vorgesehene Reaktivierung der Haltepunkte Niederdielfen und Buschhütten wird sicher auch zu einem Rückgang des motorisierten Individualverkehrs im Siegener Stadtgebiet führen, auch ein neuer Haltepunkt Kaan-Marienborn ist mit vereinten Kräften vielleicht noch erreichbar. Sinnvoll wäre zudem ein weiterer Haltepunkt im Bereich „Kaisergarten“. Der Umbau des Hauptbahnhofs hin zu mehr Kundenfreundlichkeit scheint nach langen Jahren des Wartens näher zu rücken, damit verbunden ist auch ein Schritt zur Verbesserung der Anbindung der Quartiere jenseits der Gleisanlagen. Als Erfolg bewerten wir an dieser Stelle auch, dass es uns gemeinsam mit vielen Siegenern Bürger*innen gelungen ist, das alte Bahnhofsgebäude zu erhalten und den Verlust eines weiteren stadtbildprägenden Gebäudes zu verhindern.

Nach langen Jahren der Stagnation erkennen wir durchaus hoffnungsvolle Veränderungen bei der Förderung des Radverkehrs. Das neue Radverkehrskonzept für Siegen-Mitte, verbunden mit der Öffnung von Scheinerplatz und Bahnhofstraße, verbessert die Situation der Radfahrer*innen in der Innenstadt schon jetzt – trotz der immer noch bestehenden Baustellen. Der Austausch zwischen ADFC und Verwaltung verbessert sich zusehends, kleine Erleichterungen im Sinne eines attraktiven Radverkehrs lassen sich dementsprechend schneller umsetzen. Große Hoffnungen setzen wir in diesem Zusammenhang auch in den durch einstimmigen Ratsbeschluss eingerichteten Arbeitskreis Radverkehrskonzept, auch wenn die Umsetzung dieses Ratsbeschlusses durch die Verwaltung bisher nur sehr zögerlich erfolgt.

Zu einer nachhaltigen Verkehrswende gehört neben zukunftsweisenden Projekten wie z. B. „Sehr mobil“ selbstverständlich auch der Umstieg auf umweltfreundliche Antriebsarten von Fahrzeugen, insbesondere Elektro- und Gasbetrieb. Einzelne dieser – durchaus noch exotischen - Fahrzeuge finden sich schon im Fuhrpark der Stadt und von ESI, bei unseren Stadtwerken SVB sind es schon erheblich mehr. Allerdings haben wir immer noch den Eindruck, dass bei Neuanschaffungen in zähen Diskussionen um umweltfreundliche Konzepte gerungen werden muss.
In diesem Zusammenhang begrüßen wir ausdrücklich die Mitarbeit der Stadt am Projekt „Remonet“, das für die Förderung der Elektromobilität im Straßenverkehr arbeitet. In Zusammenarbeit der beteiligten Projektpartner sind durchaus schon sichtbare Erfolge bei der Erhöhung der Zahl der Elektrofahrzeuge, aber auch bei öffentlich zugänglichen Ladesäulen erreicht worden.

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich komme zu den Finanzen und dem wenigen, was wir am vorliegenden Haushaltsentwurf ändern wollen. Bei der Betrachtung der überaus schwierigen Finanzsituation fällt es schon manchmal schwer, an den Erfolg einer Haushaltssicherung zu glauben. Egal, wie sehr wir uns auch anstrengen: wenn die Gemeindefinanzierung nicht endlich grundsätzlich und nachhaltig vom Gesetzgeber auf andere und auskömmliche Füße gestellt wird, werden bald 90 % der Kommunen sich in der Haushaltssicherung oder gar dem Nothaushalt befinden. Da hilft es auch nicht, ein Hallenbad zu schließen oder die Standards in anderen Bereichen zu senken.

Einen glatt ausgeglichenen Haushalt hatten in NRW zum 31.12.2013 lediglich 26 Städte und Gemeinden, in der Haushaltssicherung oder gar im Nothaushalt befanden sich dagegen über 170 Städte und Gemeinden, darunter auch unsere Stadt. Wir haben angesichts dieser Situation versucht, noch das ein oder andere in unserem Haushalt zu finden, was wir verschieben können.

Und auch bei dem, was wir neu hineinschreiben, sind wir äußerst maßvoll vorgegangen. Erwähnen möchte ich hier beispielsweise die 2000 Euro, die wir für das Projekt „Fair Trade Town“ einstellen möchten - eine Position, die in der entsprechenden Arbeitsgruppe von allen anwesenden Parteien unterstützt wurde. Oder unsere zum wiederholten Male eingestellte Position zur bespiel- und besitzbaren Stadt. Diese 30 000 Euro wurden in den Vorjahren nicht ausgegeben und sind insofern keine echten Zusatzkosten. Gerade hier erwarten wir aber im Jahr 2015 nun endlich eine gute und sichtbare Umsetzung. Dies wird der nächste kleine Baustein sein, der uns dabei hilft, unsere Stadt wieder ein klein wenig attraktiver zu machen.
Wir haben uns aber auch bemüht, die Einnahmesituation der Stadt an verträglichen Stellen zu verbessern. Damit meine ich die Erhöhung der Vergnügungssteuer und die Einführung der Wettbürosteuer, die die Einnahmen nachhaltig um eine halbe Million Euro pro Jahr verbessern werden.

Meine Damen und Herren,
auch wenn die Finanzen schwierig und die Debatten manchmal wenig erquicklich sind - vor allem dann, wenn einzelne Fraktionen selbst aus der Krise Honig für ihr parteipolitisches Profil saugen wollen: Kommunalpolitik ist wichtig, sie ist nah an den Bürger*innen und meine Damen und Herren, sie macht uns GRÜNEN nach wie vor Spaß. Engagiert für das einzutreten, was man noch mit eigenen Augen sehen und mit dem eigenen Verstand bewerten kann, damit unsere Stadt Stück für Stück ein wenig besser, ein wenig gerechter, ein wenig attraktiver wird, ist eine lohnenswerte Aufgabe. Wir würden uns freuen, wenn sich in Siegen weiterhin viele Menschen einbringen und engagieren.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

Für die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN
im Rat der Universitätsstadt Siegen
Florian Kraft Stadtverordneter





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