Selbstbestimmt im Alter

Für eine neue Alterskultur

Broschüre 16-151

Ein neues Bild vom Alter

Ein aktives und selbstbestimmtes Leben führen – immer mehr Menschen wollen und können heute bis ins hohe Alter ihr Leben so gestalten. Die allgemeine Lebenserwartung steigt: Etwa die Hälfte des Jahrgangs 2005 wird ihren 100. Geburtstag feiern können. Wir erleben die Entstehung einer neuen Generation von Älteren. Eine Generation, die für einen großen Lebensabschnitt vollkommen frei über ihre Zeit verfügen kann.

Die individuelle und gesellschaftliche Lebensgestaltung verändert sich. Ältere Menschen sind heute in der Regel besser ausgebildet, aktiver und gesünder als je zuvor. Doch immer noch bestimmen Bilder unsere Wahrnehmung, die schon der heutigen Generation der „Alten“ nicht mehr gerecht werden. Altern im 21. Jahrhundert ist vielfältig und wird sich zukünftig noch entschieden bunter darstellen. Scheinbar unverrückbare Bilder gehören zunehmend der Verangenheit an. Oma und Opa gemeinsam mit den Enkelkindern unter einem Dach – das hat heute schon Seltenheitswert.

Die Lebensphase Alter verläuft heute individueller. Berufswege und Lebensstile, die gesundheitliche Situation, Bildungschancen und kulturelle Verhaltensweisen prägen die Menschen ganz unterschiedlich. Es ist höchste Zeit, sich umzuorientieren: Leitbilder zu korrigieren, politische Veränderungen anzuschieben, neue Ideen zuzulassen.

Doch unsere Gesellschaft wird nicht einfach nur älter. Das ganze gesellschaftliche Gefüge verschiebt sich: Einer wachsenden Zahl älterer Menschen stehen immer weniger junge gegenüber. Mit weitreichenden Folgen. Wie werden wir morgen leben, wie viele Kindergartenplätze und Schulen brauchen wir? Wie sichern wir unsere Rente? Diesen demografischen Wandel zu gestalten, sehen Bündnis 90/Die Grünen als dringliche Aufgabe und Chance. Wichtig ist uns, dass Jung und Alt mit ihren Wünschen und Interessen gleichermaßen zum Zug kommen. Die Wissensgesellschaft kann es sich in einer globalisierten Welt nicht mehr leisten, Erfahrung und Kompetenz der Älteren brachliegen zu lasssen. Das defizitäre Bild vom Alter verhindert nicht nur, dass Ältere weiterbeschäftigt oder eingestellt werden. Auch in der Weiterbildung kommen sie zu kurz. Die Notwendigkeit des lebenslangen Lernens, Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem Laufenden zu halten, gilt für alle. Man muss allerdings auch allen die Chance dazu geben. Selbstverständlich nehmen wir auch diejenigen in den Blick, die aufgrund ihres Alters besonders schutzbedürftig sind. Jede und jeder muss sich sicher sein, dass im Fall von Pflege, Krankheit oder Altersarmut die notwendige Hilfe gewährleistet wird.

Wir wollen dafür sorgen, die belastenden Auswirkungen des demografischen Wandels solidarisch auf die Generationen zu verteilen und die Potenziale des Alters auszuschöpfen.

Die sozialen Sicherungssysteme im Blick
Für uns Grüne bedeutet Altenpolitik im demografischen Wandel, daran mitzuwirken, jedem Menschen in jeder Lebensphase ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Dazu gehört es auch, Vorsorge zu treffen für die zunehmenden Risiken des Alters. Deshalb zählen wir es zu den vordringlichen Aufgaben, neue Konzepte für die Sozialversicherungssysteme zu entwickeln. Wir wollen die Sicherung des Lebensunterhalts und der Gesundheit langfristig auf eine verlässliche Basis stellen und setzen uns für eine gerechte Verteilung der Lasten ein. Um auch Geringverdienenden eine existenzsichernde Rente zu ermöglichen, muss die gesetzliche Rentenversicherung weiterentwickelt werden. Wir wollen die Rentenversicherung zu einer Versicherung für alle ausbauen; auch Selbstständige ohne eigene Alterssicherung müssen hier integriert werden.

In der Gesundheitspolitik verbindet das Modell der grünen Bürgerversicherung einen solidarischen Grundansatz mit dem Anspruch, Generationengerechtigkeit herzustellen. Dazu sollen alle Einkommensarten zur Beitragsberechnung herangezogen werden. Prävention und Gesundheitsförderung wollen wir als eigenständige Säule des Gesundheitssystems etablieren – für jede und jeden. Eine sozial gerechte Lösung für die Pflege bringt unser Vorschlag einer Pflege-Bürgerversicherung. Sie soll durch eine solidarisch finanzierte Demografiereserve ergänzt werden, um auch nachfolgende Generationen nachhaltig abzusichern.

Altes Eisen? Das Potenzial der Älteren nutzen!

Betrachtet man die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, so wird sehr schnell offenkundig, wie dringend wir ein neues, differenziertes Bild vom Alter benötigen. Zwar zeichnet sich in den letzten Jahren ab, dass die Beschäftigtenquote bei den Älteren zunimmt, doch für viele Menschen beginnt der Ruhestand zu früh. Die Ursachen für diese Entwicklung sind vielfältig. Zum einen werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter viel zu oft frühverrentet, zum anderen schätzen ArbeitgeberInnen die Fähigkeiten Älterer häufig falsch ein.

In unseren Köpfen hält sich hartnäckig ein defizitäres Bild: Wir verknüpfen Alter immer noch pauschal mit Langsamkeit, mit Leistungsverlust und mangelnder Einsatzbereitschaft.

Die Fachkräfte sind da
Dabei belegen zahlreiche Studien, dass die Leistungsfähigkeit von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen nicht einfach mit dem Alter abnimmt, sondern sich im gesamten Lebensverlauf verändert. Wir stehen vor einer absurden Situation: In Deutschland herrscht ein eklatanter Fachkräftemangel und zugleich steigt die Zahl qualifizierter Älterer, die vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind. Wir wollen und müssen die Älteren wieder verstärkt in den Arbeitsmarkt einbinden. Nicht nur, weil unsere Wirtschaft ihre Arbeitskraft und ihr Know-how gut brauchen kann, sondern weil diese Generation ab 50 aufwärts sich wünscht, ihr Wissen und ihre Erfahrung in den Arbeitsprozess einzubringen. Das gängige defizitäre Bild steht nicht nur einer Weiterbeschäftigung oder der Einstellung von Älteren im Weg, es verhindert zudem, dass Weiterbildungsmaßnahmen angeboten und gefördert werden. Eine Wissensgesellschaft lebt davon, dass ihre Mitglieder ein Leben lang lernen. Schließt man das Potenzial der Älteren davon aus, dann befördern wir eine fatale Entwicklung.

Viele müssen umdenken
Wir Grüne stehen dafür ein, die berufliche Weiterbildung als Teil einer langfristigen Strategie auszubauen. Wir wollen die Beschäftigungssituation von älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern verbessern, denn davon profitiert die ganze Gesellschaft.

Wir brauchen ein gesellschaftliches Leitbild, das eine Kultur des beruflichen Neuanfangs im Alter befördert. Von überkommenen, starren Vorgaben muss sich die Personalpolitik der Unternehmen lösen. In der Pflicht steht auch die Bundesagentur für Arbeit, die ihre Vermittlungsstrategie für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer grundsätzlich neu ausrichten muss. Wir brauchen in den Betrieben und Unternehmen altersgerechte Arbeitsplätze, denn langfristig werden wir den Anteil Älterer am Arbeitsmarkt nur dann erhöhen können, wenn die Erhaltung der Gesundheit, lebenslanges Lernen und die gleichberechtigte Teilhabe am Erwerbsleben miteinander einhergehen.

Arbeit erledigt – und was kommt dann?
Aktiv mit bürgerschaftlichem Engagement

Wenn Menschen ihr aktives Berufsleben abgeschlossen haben, kann bürgerschaftliches Engagement neue Perspektiven eröffnen. Freiwilliges Engagement bietet Spielräume für viele nützliche, sinnstiftende Tätigkeiten und damit einen Platz mitten im sozialen und kulturellen Leben. Schon heute ist von den 23 Mio. Menschen, die sich in Deutschland freiwillig für andere engagieren, rund ein Drittel älter als 60 Jahre.

Beteiligung und Teilhabe
Ältere Menschen wollen und können heute die Gesellschaft aktiv mitgestalten, die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger am öffentlichen Leben ist ein wesentliches Merkmal der lebendigen Demokratie. Leider wirken negative Altersbilder auch über das Berufsleben hinaus. Zahlreiche Beispiele für Altersdiskriminierung belegen es: Viele Institutionen haben formelle oder informelle Altersgrenzen eingeführt, die bürgerschaftliches Engagement ab einem bestimmten Lebensalter unmöglich machen. Und manche Anzeigen, die für bürgerschaftliches Engagement werben, sprechen ganz eindeutig nur Bürgerinnen und Bürger unter 65 Jahren an.

Engagement ohne feste Altersgrenzen
Es ist für ein gutes Zusammenleben in unserer Gesellschaft entscheidend, dass wir das Engagementpotenzial der Älteren ausschöpfen. Dieses Engagement schließt auch die Chancen auf gesellschaftliche Partizipation ein. Menschen, die in fortgeschrittenem Alter gesellschaftlich Verantwortung übernehmen möchten, wollen wir mit entsprechenden Angeboten entgegenkommen. Bündnis 90/Die Grünen fordern, die bestehenden Altersgrenzen für ehrenamtliche Tätigkeiten aufzuheben, den Ausbau der Infrastruktur zu unterstützen, Qualifizierung zu ermöglichen und eine langfristige Sicherung zu gewährleisten.

Kompetent und selbstbewusst:
Die Ansprüche älterer KonsumentInnen

Zuweilen entscheidet es sich an den kleinen Dingen, ob man sein Leben selbstständig führen kann. Angemessen gestaltete Produkte und guter Service erleichtern gerade sehr alten Menschen den Alltag. Die Älteren sind zahlreich – und eine attraktive, zahlungskräftige Zielgruppe. Wir wollen sie in ihren Rechten als Konsumentinnen und Konsumenten stärken.

Verbraucherfreundlichkeit und -schutz im Alltag
Wenn sich Beipackzettel und Waschanleitungen nur mit der Lupe entziffern lassen, weil die Schriftgrößen viel zu klein gewählt sind, haben nicht nur Ältere ein Problem. Auch Ausdrücke aus dem Englischen können Rätsel aufgeben. Und für manche Verpackung müsste man im Grunde EntfesselungskünstlerIn sein. Unseriöse Anbieter nutzen das Bedürfnis nach Ansprache und sozialen Kontakten allein lebender Menschen für halbseidene Angebote wie Kaffeefahrten oder Gewinnreisen. Zu oft nehmen ältere Bürgerinnen und Bürger Unrecht widerspruchslos hin, weil sie sich um die Kosten eines Rechtsstreits sorgen. Wir wollen ältere Konsumentinnen und Konsumenten in rechtlicher Hinsicht schützen, damit sie bei unseriösen Geschäften nicht übervorteilt werden. Das gilt auch für die schöne neue Welt des Internets und der elektronischen Kommunikation, deren Fallen und Hürden viele ältere Nutzerinnen und Nutzer nicht gewachsen sind.

Orientierung im Lebensmittelmarkt
Gesunde Ernährung wird mit fortschreitendem Alter zunehmend wichtig. Manche Erkrankungen lassen sich vermeiden oder positiv beeinflussen, wenn Essen und Trinken sich dem individuellen Bedarf anpassen. Leichter geht es, wenn man weiß, was genau man zu sich nimmt. Wir fordern deshalb eine verbraucherfreundliche Kennzeichnung auf allen Lebensmitteln: eine Ampelkennzeichnung (grün–gelb–rot), die klar und einfach vermittelt, welchen Beitrag ein Lebensmittel zur gesunden Ernährung leistet. Viele Ältere verfügen über ein ausgeprägtes Gesundheitsbewusstsein und greifen gern zu sogenannten Nahrungsergänzungsmitteln. Die darin enthaltenen Stoffe sollten nur mit einem Wirkungsnachweis und nach einer Risikoüberprüfung in den Handel gelangen.

Finanzdienstleistungen und Versicherungen

Bei den Bankgeschäften geht der Trend zur Automatisierung: Um ein Girokonto online zu führen, braucht man einen PC und das „Gewusst wie“. Viele Banken schließen kleine Filialen, die Wege werden weiter, der persönliche Service wird heruntergefahren – für ältere Menschen eine weitere Barriere in ihrem Alltag. Wer sich in Versicherungs- und Finanzfragen eine Beratung wünscht, die alters- und bedarfsgerecht ist, muss oft länger suchen. Die Aufnahme eines Kredits oder der Abschluss einer Zusatzversicherung wird immer noch mit altersdiskriminierenden Konditionen verbunden. Hier ist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gefragt. Sie muss Verbraucherschutz als ihre Aufgabe begreifen und ihren Einfluss auf Banken und Versicherungen geltend machen.

Mobil bleiben
Mobilität gehört zu einem selbstbestimmten Alltag. Doch schon ein Einkauf in der Stadt oder ein abendlicher Kinobesuch werden mit zunehmendem Alter zur Herausforderung. Nicht nur ältere Menschen klagen über den öffentlichen Nahverkehr: Mangelhafter Service, undurchsichtige Tarifsysteme und schlechte Anbindung machen vielen das Leben schwer. Unverständliche Fahrkartenautomaten, automatische Türen und fehlendes Zugpersonal sind für hilflose oder ängstliche Personen zudem gute Gründe, auf eine Fahrt zu verzichten. Die barrierefreie Nutzung des öffentlichen Personenverkehrs muss dringend verbessert werden, eine Schlichtungsstelle Mobilität soll sich um die Interessen von Fahrgästen kümmern. Wir Grüne setzen uns dafür ein, Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen – Stadt, Verkehr und privatem Raum – zu verwirklichen.

In Würde altern:
Finanzielle Absicherung gehört dazu

Die gesetzliche Rentenversicherung allein kann den Schutz vor Armut nicht mehr für alle Bürgerinnen und Bürger zuverlässig gewährleisten. Unsere Rentenpolitik konzentriert sich deshalb darauf, die Systeme der Alterssicherung an den demografischen Wandel der Gesellschaft anzupassen und sie zukunftstauglich zu gestalten.

Konzept mit Zukunft
Keine Generation soll einseitig belastet werden. Wir wollen den Beitragssatz zur Rentenversicherung zukünftig stabil halten, um den Faktor Arbeit nicht über Gebühr zu belasten. Daneben wollen Bündnis 90/Die Grünen konsequent mit der schlechten Tradition der Frühverrentung brechen und das Rentenalter in den nächsten Jahren schrittweise erhöhen. Damit Arbeit im Alter auch wirklich möglich ist, müssen wir die Arbeitsbedingungen der anhaltend steigenden Lebenserwartung anpassen. Die Menschen sollen ihren Lebensstandard im Alter halten können, deshalb wurde die gesetzliche Rente um andere Formen der Alterssicherung ergänzt. Die staatlich geförderte Riesterrente enthält deutliche Elemente des sozialen Ausgleichs. Auch Beschäftigte mit geringem Einkommen und Familien mit Kindern erhalten die Chance, ergänzend privat vorzusorgen.

Mindestlöhne für alle
In keinem anderen europäischen Land ist der Niedriglohnsektor so stark gewachsen wie in Deutschland. Mehr als ein Drittel aller Beschäftigten in Deutschland arbeitet im Niedriglohnbereich, die meisten von ihnen sind Frauen. Dabei sind die Löhne oft so niedrig, dass auch bei einer Vollzeitstelle zusätzlich Arbeitslosengeld II benötigt wird, um die Lebenshaltungskosten zu decken. Das bedeutet: Wer schon im Erwerbsleben arm ist, wird es auch im Alter sein. Mindestlöhne für alle lautet daher das grüne Ziel. Doch selbst die Einführung von Mindestlöhnen wird nicht reichen – wir brauchen Ergänzungen im Rentensystem, damit zukünftige Rentnerinnen und Rentner mit geringem Einkommen und/oder Erwerbsunterbrechungen vor Altersarmut geschützt sind.

Selbstständige und Geringverdienende absichern

Kaum ein Berufsleben folgt heute noch einer vorgezeichneten, stetigen Bahn. Immer häufiger sind gebrochene Erwerbsverläufe mit Zeiten ohne Erwerbseinkommen; abhängige Beschäftigung und selbstständige Tätigkeiten gehen ineinander über. In den seltensten Fällen jedoch sind Selbstständige mit geringem Einkommen im Alter abgesichert. Wir fordern, dass auch sie in die Rentenversicherung integriert werden, wenn keine andere Form der Alterssicherung besteht.

Wenn Menschen mit geringem Einkommen nach lebenslanger Arbeit nur noch eine Rente in Höhe der Grundsicherung erhalten, dann stimmt etwas nicht mit der gesetzlichen Rentenversicherung. Wir Grüne treten dafür ein, die Alterssicherung weiterzuentwickeln. Wer ein Leben lang gearbeitet hat und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stand, soll im Alter eine Garantierente erhalten, die deutlich über der Grundsicherung liegt und die Eigenvorsorge wie z. B. die Riesterrente unberührt lässt. Die Kosten dafür müssen aus Steuermitteln aufgebracht werden.

Langfristig wollen wir die Rentenversicherung zu einer Bürgerversicherung für alle weiterentwickeln, in die alle Erwachsenen unabhängig vom Erwerbsstatus mit Beiträgen auf alle Einkommen einzahlen.

Gleichheit für Frauen und Männer
Noch immer sind es mehrheitlich die Frauen, die ihre Erwerbsarbeit zugunsten von Kindererziehung und Pflege unterbrechen. Deshalb sind ihre eigenständig erworbenen Rentenansprüche nach wie vor niedrig. Frauen arbeiten überdurchschnittlich häufig im Niedriglohnsektor und werden generell immer noch schlechter bezahlt als Männer. Wir wollen die Absicherung von Frauen in der gesetzlichen Rentenversicherung ausbauen. Dazu werden für ein Ehepaar oder eine eingetragene Partnerschaft zwei eigenständige Rentenkonten aufgebaut. Die Beiträge aus dem Erwerbseinkommen werden geteilt und je zur Hälfte den Rentenkonten gutgeschrieben. Für Menschen, die gesundheitlich eingeschränkt sind und deshalb nicht arbeiten können, muss die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit erhalten bleiben. Die Regelsätze müssen kontinuierlich angepasst werden, um die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.

Länger selbstständig, aber nicht allein:
Gesundheitsförderung, Wohnen und Pflege

Wir entscheiden nicht erst am Ende unseres Lebens, wie sich unser Alter gestalten soll. Die kleinen und großen Weichenstellungen von gestern, heute und morgen – sie alle sind bedeutsam für unser Leben im Alter.

Prävention
Gesundheitsförderung und gesundheitliche Versorgung im Alter müssen das Ziel haben, die Lebensqualität so lange wie möglich zu erhalten und Pflegebedürftigkeit hinauszuschieben. Für gesundheitliche Prävention – also Aktivitäten zur Gesundheitserhaltung – ist es nie zu spät. Gerade im Alter sollten die Angebote vielfältig und spezifisch gestaltet sein. „Junge Alte“ haben andere Bedürfnisse als Hochbetagte. Für die einen ist Sport in der Gemeinschaft wichtig, bei anderen kann der präventive Hausbesuch das richtige Angebot sein. Präventionsangebote sind besonders wirksam, wenn die Menschen sie in einer vertrauten Umgebung vorfinden und wenn sie an bereits bekannte und geschätzte Aktivitäten anknüpfen. Prävention und Gesundheitsförderung müssen den ganzen Menschen in den Blick nehmen: Körper, Geist und Psyche spielen zusammen. Deshalb sind Bewegung, Ernährung, Gehirntraining genauso wichtig wie z. B. Angebote, die einschneidende Lebensereignisse wie Krieg oder Flucht bearbeiten.

Bunte Vielfalt der Wohnformen
Es hat sich schon einiges verändert in den vergangenen 20 Jahren: Vielfältige Wohnformen für ältere wie für pflegebedürftige Menschen sind vielerorts entstanden, denn der Wunsch nach Selbstständigkeit und das Bedürfnis nach Individualität sind groß. An diesem Punkt steht auch die Stadtplanung vor neuen Herausforderungen. Einerseits schrumpft die Bevölkerung, andererseits wächst die Zahl der Haushalte. Über 90% der über 65-Jährigen wollen so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden leben und nur bei Bedarf in ihrer häuslichen Umgebung Begleitung und Hilfe in Anspruch nehmen. Wir setzen uns dafür ein, dass die Wohnungsbauförderung vermehrt auf entsprechende neue Wohnformen setzt. Wir wollen eine altersgerechte Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik und sind uns der Herausforderungen bewusst, die insbesondere auf die Kommunen zukommen. Doch wir wollen, dass das Angebot barrierefreier und seniorengerechter Wohnungen steigt und das generationsübergreifende Zusammenleben auf breiterer Basis erprobt werden kann. Auf diese Anforderungen muss sich auch die Wohnungs- und Städtepolitik einstellen.

Für eine menschenwürdige Pflege
Wenn Menschen dauerhaft die Hilfe und Unterstützung anderer benötigen, darf das nicht in Fremdbestimmung münden. Pflege ist nicht die „Endstation“ des Lebens. Selbstbestimmung und Teilhabe gehören zur Würde des Menschen und müssen in allen Lebensphasen weitgehend möglich sein. Ein würdevolles Leben steht im Mittelpunkt unserer Pflegepolitik. Eine menschennahe Pflege ist flexibel in ihrem Leistungsangebot und bleibt durch eine intelligente Mischung aus ehrenamtlichen, familiären und professionellen Angeboten bezahlbar. Sie muss die Lebenswelt der Betroffenen und ihrer Bezugspersonen aktiv einbeziehen, damit die häusliche Versorgungssituation so lang wie möglich erhalten werden kann.

Unterstützung der pflegenden Familien
Wir wollen die Familien mit dieser anspruchsvollen und belastenden Aufgabe nicht allein lassen. Es muss mehr unabhängige Beratungsangebote geben, die rund um Alter und Pflege informieren. Wir wissen, dass Beratung allein oft nicht reicht. Deshalb brauchen wir Einzelfall-ManagerInnen, die nur den Interessen der Betroffenen und ihrer Bezugspersonen verpflichtet sind. Um die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf zu ermöglichen, brauchen wir praxisnahe Lösungen wie eine gesetzliche Pflegezeit. Wir fordern eine steuerfinanzierte Lohnersatzleistung, denn Menschen, die Angehörige oder Freunde pflegen, müssen in dieser Zeit finanziell abgesichert sein.

Lebensqualität erhalten
Auch in der stationären Pflege muss sich noch mehr das Bewusstsein durchsetzen, dass die Interessen und die Lebensqualität der Kundinnen und Kunden im Mittelpunkt stehen. Denn es geht schließlich um den Ort, an dem sie leben: ihr Zuhause. Pflegebedürftige sollten mehr Informationen an die Hand bekommen, um Angebote, Qualität und Kosten vergleichen zu können. Selbstverständlich brauchen die Pflegeeinrichtungen gut ausgebildetes, angemessen bezahltes Personal und eine flexiblere Gestaltung der Abläufe, das heißt auch alternative Arbeitszeitmodelle. Unser Ziel ist es, langfristig nicht mehr zwischen ambulanter und stationärer Pflege zu unterscheiden. Es gibt bereits erfolgreiche Beispiele für „alternatives Leben“ im Alter. Wohnangebote mit Rundum-Versorgung, Wohn- und Betreuungsangebote für Menschen mit Demenz oder Mehrgenerationenprojekte sind einige Beispiele, die attraktive Alternativen bieten können.

Gut versorgt: Hohes Alter und Krankheitsrisiken

Gesundheit im hohen Alter bedeutet selten ein Leben ohne Krankheit. Es kommt vielmehr darauf an, trotz Einschränkungen möglichst lange und weitestgehend selbstständig den Alltag zu bewältigen. Insbesondere ältere und hochbetagte Menschen sind von chronischen und Mehrfacherkrankungen betroffen, die ein selbstbestimmtes Leben erschweren. Die medizinische Versorgung muss sich stärker auf die Bedürfnisse von Menschen mit chronischen und langwierigen Krankheiten ausrichten. Diesen gesundheitspolitischen Herausforderungen begegnen wir Grüne mit klaren, zukunftsweisenden Konzepten.

Wohnortnahe Versorgung
Die Erhaltung der Lebensqualität und ein selbstbestimmtes Leben in der gewohnten Umgebung – darauf zielen neue Formen der wohnortnahen Versorgung. Wir wollen sie weiterentwickeln. Nichtärztliches Personal soll stärker in die Betreuung einbezogen werden. Menschen können zu Hause bleiben, wenn Pflegefachkräfte sie regelmäßig besuchen, schulen und begleiten. Das gilt auch für Patientinnen und Patienten, die sonst im Krankenhaus lägen oder täglich zum Arzt müssten. Wir brauchen mehr Angebote der Vor- und Nachsorge im Wohnumfeld, z. B. mobile ambulante Rehabilitation oder präventive Hausbesuche. Das Ziel: die Verlegung in ein Pflegeheim so lange wie möglich hinauszuzögern und ein selbstbestimmtes Leben zu Hause zu ermöglichen.

Versorgungsmanagement zum Wohl der PatientInnen
Ein wichtiger Schritt steht im Gesundheitswesen selbst an: Die verschiedenen, zersplitterten Bereiche (Arztpraxen, Krankenhäuser, Rehabilitation) müssen enger und abgestimmt zusammenarbeiten. Sie alle sollten gemeinsam mit anderen Organisationen aus der Sozial- und Kulturarbeit oder dem Wohnungsbau zum Wohl älterer Menschen kooperieren. Ein gutes Versorgungsmanagement hat darauf zu achten, dass Patientinnen und Patienten erst dann aus dem Krankenhaus entlassen werden, wenn sie sich selbst versorgen können und für private oder professionelle Unterstützung gesorgt ist.

Gesundheitskompetenz
Wir wollen ältere Menschen stärken, Entscheidungen in Bezug auf ihre Gesundheit selbst und gut informiert zu treffen. Gerade im Alter ist Gesundheitskompetenz notwendig. Wir alle müssen mittlerweile zwischen verschiedenen medizinischen Angeboten wählen und sie kritisch beurteilen. Leicht zugängliche und verständliche Internetangebote und informative Portale können weiterhelfen: bei der Suche nach geeigneten Ärztinnen und Ärzten oder Informationen zu Krankheiten. Gesundheitskompetenz macht es möglich, als PatientIn den Ärztinnen und Ärzten auf Augenhöhe zu begegnen, wichtige Fragen zu stellen und über die Behandlung (mit)zuentscheiden – statt rein formal in eine Therapie einzuwilligen.

Medikamentenversorgung im Alter
Bei alten und hochbetagten Menschen mit komplexen Krankheitsbildern ist die Gefahr besonders groß, mit Medikamenten falsch versorgt zu sein. Häufig bekommen sie zu viele Medikamente, oft von verschiedenen Ärztinnen und Ärzten. Leicht gehen der Überblick und damit wichtige Informationen für eine effektive Behandlung verloren, die Patientinnen und Patienten sind die Leidtragenden. Ein besseres Zusammenspiel von Arztpraxen, Apotheken und Pflegeanbietern ist ebenfalls erforderlich. Medikamente werden in der Regel an jungen Männern getestet. Sie wirken bei Frauen, Kindern und Älteren meistens anders. Daher sollen bei solchen Tests auch Freiwillige höheren Alters einbezogen werden, um sicherere Informationen über die Wirkungsweise für diese besonders sensible Altersgruppe zu erhalten. Auch geschlechtsspezifische Auswertungen sowie die Forschung zur Wechselwirkung von Medikamenten sind auszubauen. Trotz der Fülle verordneter Medikamente passiert es umgekehrt immer wieder, dass ältere Menschen medikamentös unterversorgt sind, bspw. in Frühstadien von Demenz oder Depression. Die Betroffenen, ihre Angehörigen aber auch Ärzte und Ärztinnen nehmen entsprechende Symptome als vermeintlich normale Begleiterscheinungen des Alters wahr: Alte sind eben vergesslich. Im schlimmsten Fall unterbleibt die notwendige Behandlung, wenn Vorurteile die Wahrnehmung und Diagnose bestimmen.

Wir alle müssen unser Bild vom Alter auf den Prüfstand stellen und überholen. Der demografische Wandel hat längst begonnen. Verändern wir unser Denken, gestalten wir unsere Zukunft.

Noch Fragen?
Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion Irmingard Schewe-Gerigk, Sprecherin für Frauen- und Rentenpolitik Britta Haßelmann, Sprecherin für Demografie, Altenpolitik und Kommunales Arbeitskreis 1: Wirtschaft, Arbeit, Soziales, Finanzen, Haushalt 11011 Berlin, T. 030/227 56789, F. 030/227 56552, info@gruene-bundestag.de

Zum Weiterlesen:

  • Alter braucht Zukunft (Reader 16/72)
  • Arbeit, Engagement und Alltag zusammen leben (Fraktionsbeschluss)
  • Im Konsumdschungel. Eine Bresche für Verbraucherrechte (Broschüre 16/136)
  • In Würde leben. Das grüne Pflegekonzept (Broschüre 16/65)
  • Eine für alle. Die Grüne Bürgerversicherung (Fraktionsbeschluss)


Bundestagsdrucksachen:

  • 16/9630 Diskriminierende Altersgrenzen im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements aufheben
  • 16/7136 Für eine konsequent nutzerorientierte Pflegeversicherung
  • 16/9748 Kurs halten bei der Erwerbsintegration von älteren Beschäftigten
  • 16/10375 Rentenwert in Ost und West angleichen

Download als PDF (97,7 KByte)

zurück

Grüne Geschäftsstelle

BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Stadtverband Siegen
Löhrstr.12, 57072 Siegen
0271 / 38750662
stadtverband@remove-this.gruene-siegen.de